| Inhatsverzeichnis - Ausgabe
Spezial 1 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Agapornidenarten | 3. Coco antwortet | 4. Vogelparks in Europa |
| 5. Ein Papagei erobert Europa | 6. Einzelhaltung heute noch vertretbar? | 7. Die Ernährung von Papageien |
| 8. Krankheiten der Papageien | 9. Hartmut Meyer: Alexandersittiche | 10. Erhaltungszuchtprogramme |
| 11. Papageieneinkauf | 12. Beitritt in den BNA | 13. Papageienhaltung im Dschungel der Paragraphen |
| 14. Geduld muß man haben | 15. Als unsere Papageien Urlaub machten |
| 16. Größte Papageienvolieren Aachens | 17. Mein Lorchen Seite | 18. Der Käfig: Gefängnis oder Heim? |
| 19. Eine Gefahr für Papageien: Vergiftungen | 20. Der Graupapagei |
"Mein Lorchen"
Vor einigen Monaten erschien über die Papageienhilfe Aachen e.V. ein Artikel in der Zeitschrift "Das goldene Blatt". Dadurch erhielten wir viele überregionale Zuschriften, eine war von ganz besonderer Art ...........
"Mein Lorchen" von Heinz - Jürgen Müller
Wenn ich etwas von Papageien - besonders Amazonen - höre, bin ich wie elektrisiert und bedauere es immer, wenn ich sie eingesperrt sehe.
Ich selbst hatte eine sehr enge Bindung über 20 Jahre mit einer Blaustirnamazone.
Meine zweite Mutter brachte den Papagei mit in die Ehe. Der Vogel hatte vor dem ersten Weltkrieg 600 Goldmark gekostet und war in einer Sprachschule ausgebildet. Ich ärgere mich auch heute noch, wenn ich im Fernsehen oder in Filmen Papageien krächzen "sprechen" höre, denn mein Papagei sprach nicht nur laut, sondern überdeutlich. Bei meinem ersten Zusammentreffen mit dem Papagei war sofort eine enge Freundschaft geschlossen, die bis zu seinem Tode (Unfall im Krieg), uneingeschränkt blieb. Wir waren sozusagen unzertrennlich. Wenn ich zuhause war, saß er immer bei mir, auch bei den Schularbeiten, denn sonst gab es Geschrei. Er schlief auch an meinem Bett und meine Mutter, die ihn ja mitgebracht hatte, durfte morgens nicht ins Zimmer, sondern mich nur an der Tür wecken.
In der S-Bahn saß er im Gepäcknetz und unterhielt das ganze Abteil, wie er überhaupt viel sprach, wenn viele "Zuhörer" da waren.
Er war absolut handzahm, aber wehe, jemand trat mir zu nahe. Meiner Mutter mußte einmal sogar die Lippe genäht werden, als sie mir eine Backpfeife gab. Eins möchte ich besonders erwähnen: Der Papagei wurde im ersten Weltkrieg zwangsweise auf menschliche Nahrung umgestellt und blieb auch dabei. Nüsse o.ä. fraß er nur so, wie wir Leckereien oder Süßigkeiten essen. Morgens gab es z.B. ein Marmeladenbrötchen eingeweicht mit Milch, mittags erst Suppe, dann Kartoffeln in Soße zerdrückt, Gemüse und Fleisch. Anschließend Salat, Pudding. Wehe da fehlte etwas auf seinem kleinen Teller, was wir hatten, wollte er auch haben. Sehr gern aß er auch Kotelettknochen. Er knabberte sie ab und zerbiß sie. Unser Hund saß dann vor dem Ständer des Papageis und machte "Männchen", um dann die herunterfallenden Teile zu fressen.
Wenn unser Hund Junge bekam, brauchten wir nur auf den Papagei zu achten. Kurz bevor es soweit war, saß der Papagei beim Hund im Korb. Er fütterte auch das Junge und spielte später mit ihm, obwohl der junge Hund sicher oft in seiner Tolpatschigkeit grob war. Auch im Garten waren die Tiere viel zusammen und nie ist dabei irgend etwas passiert.
Nachbarn hatten damals von einem Seemann einen ganz jungen Papagei, ebenfalls eine Blaustirnamazone, der ganz verhungert war und nicht fraß, bekommen. Unser Papagei nahm ihn in Pflege, fütterte ihn mit einem Gewöll, daß er hervorbrachte, ich bekam das auch immer wieder von ihm angeboten, bis der andere Vogel völlig in Ordnung war. In dieser Zeit schliefen immer zwei Papageien an meinem Bett, denn ich blieb für ihn die Hauptsache. Noch etwas, was mir gerade einfällt: Ich war als Kind im Sommer an der Nordsee im Ferienheim. Als ich zurückkam, traf ich spät abends, es war dunkel, am Lehrter Bahnhof ein. Als ich aus dem Zug stieg kam ein Schatten auf mich zu. Ich hob abwehrend den Arm und meine Lora landete dort. Meine Mutter, die mich abholte, wollte mir mit dem Papagei eine Freude machen und brachte ihn mit. Als der Bahnhof von hunderten von Kindern wimmelte, paßte sie nicht auf und der Papagei flog ihr weg. Er hatte mich offensichtlich unter all den Kindern erspäht.
Wenn wir in Urlaub fuhren, gaben wir den Papagei immer in einer Vogelhandlung ab. Die nahm ihn sehr gern, er war für das Geschäft eine kleine Attraktion.
Als ich Soldat wurde, waren die jeweiligen Begrüßungen überschwenglich. So geschah es auch einmal im Krieg, mein Vater wurde in eine andere Stadt versetzt und gab den Papagei in eine mir unbekannte Zoohandlung ab. Ich kam gerade einmal auf Urlaub und sollte Lora dort abholen. Ausweisprobleme gab es da aber nicht. Ich war kaum im Laden, als sich meine Lora sofort trompetend meldete und unsere Begrüßung ließ keinen Zweifel, wo der Papagei hingehört. Der Weg nach Hause war fast ein Umzug. Ein Soldat und ein Papagei frei auf der Schulter mit viel Trara und das im Straßengewimmel.........
Ich könnte noch sehr viel berichten. Vielleicht nur, daß er im Vorgarten im Sommer auf den dortigen Rotdornbäumen saß. Wenn es ihm zu langweilig wurde, kam er auf den untersten Ast und fing an zu schreien. Natürlich blieben die Leute stehen und, wenn es nach seiner Meinung genügend waren, fing er an zu sprechen, bis er keine Lust mehr hatte und sich in die oberen Äste begab.
Mein Brief ist recht lang geworden, aber ich schwelge ein wenig in Erinnerungen, die ja durch die lange Dauer unseres Zusammenseins sehr umfangreich sind. Waren wir doch, besonders in der Jugend, praktisch den ganzen Tag und auch in der Nacht zusammen, nur unterbrochen durch Schule und Spielen auf der Straße. Wenn ich mich mal mit Kameraden raufen wollte, brachte ich Lora weg, der hätte mit Sicherheit alle anderen ernsthaft gebissen.
Übrigens, ihm mußte immer gezeigt werden, wie ich wegging, denn sonst konnte es passieren, daß er das ganze Haus zusammenschrie - und dabei hatte er eine große Ausdauer!
Wir danken Herrn Müller aus Verden für diesen Artikel, der eine ganz außergewöhnliche Beziehung zwischen Mensch und Papagei beschreibt. |