Papageienhilfe Aachen e.V.
56. Ausgabe 3/09
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 56 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Faunenverfälschung (Fortsetzung) | 3. Volierenböden sinnvoll gestalten | 4. Stöbern erwünscht |

Faunenverfälschung - Fortsetzung aus Coco-News 55

.....Nun wird man, beobachtet man die Sittiche z.B. in Köln, eher Interesse verspüren, ein schlechtes Gefühl in der Magengegend wird sich nur bei den Wenigsten einstellen. Warum auch? Sittiche freilebend in Deutschland, das ist faszinierend, es ist bereichernd weil exotisch und ungewohnt. Und wenn die armen Tiere mit den kalten Wintern zurecht kommen, warum dann nicht?

Die Antwort ist leicht: weil Mitteleuropa nicht zum ursprünglichen Lebensraum von Psittacula krameri, so der wissenschaftliche Name des Halsband- oder Kleinen Alexandersittichs, gehört. Dabei ist schon seine natürliche Verbreitung bemerkenswert genug: er ist der einzige Vertreter der Psittaciformes (der Papageienartigen), dessen natürliches Verbreitungsgebiet zwei(!) Kontinente umfasst. Er kommt sowohl in Asien als auch in Afrika vor und dank menschlicher Hilfe nun auch in Europa.

Das allein zeigt, mit welch anpassungsfähigem Vogel wir es hier zu tun haben. Wenn aber die Freude über die in Köln und anderen Städten umherfliegenden Gesellen nicht ungetrübt sein kann, woran liegt das dann?

Zuerst einmal muss zugute gehalten werden, dass es sich im Falle des Halsbandsittichs nicht um eine absichtliche Faunenverfälschung handelt. Die Anfänge sind zwar unklar, doch gilt als wahrscheinlich, dass es sich bei den in Mitteleuropa vorkommenden Vögeln (in England schon seit den 1930er Jahren) um ursprünglich bei Importeuren entflogene Individuen handelt. Da der Halsbandsittich ein recht robuster Vertreter der Papageien ist, gelang es den Tieren, sich den (zumindest in Großstädten und der Rheinebene)verhältnismäßig milden mitteleuropäischen Wintern anzupassen.

Heute geht man von einer insgesamt fünfstelligen Zahl von in Europa freilebenden Tieren aus. Es ist unzweifelhaft ein schöner Anblick, eine Gruppe von zehn oder mehr Tieren in schnellem Flug laut rufend über die Häuser Kölns fliegen zu sehen.
Und doch hat das alles auch negative Auswirkungen. Eines der Hauptprobleme ist, dass Halsbandsittiche zur Fortpflanzung Höhlen benötigen.

Wie überall, ist auch in Deutschland das Angebot an geeigneten Höhlen ein wichtiger Faktor für die Anzahl der gelingenden Bruten und der erfolgreich aufgezogenen Jungtiere. Da es keine unbegrenzte Anzahl geeigneter Höhlen gibt, stellt deren Verfügbarkeit einen der wichtigsten minimierenden Faktoren für die Fortpflanzung überhaupt dar. Wären Halsbandsittiche nun die einzigen Höhlenbrüter, wäre alles kein Problem. Die Anzahl der Höhlen würde die Anzahl der aufgezogenen Jungtiere bestimmen, der Bestand würde sich regulieren und schließlich bei einer bestimmten Zahl einpendeln.

Leider jedoch lässt sich in der Natur, insbesondere bei Betrachtung eines ganzen Ökosystems, kein Vorgang isoliert betrachten. Es hängt sozusagen alles mit allem zusammen, teils komplizierte Interdependenzen bestehen, die häufig noch gar nicht erschöpfend erforscht wurden. Im Falle der Halsbandsittiche lässt sich der Sachverhalt aber vereinfacht auf ein Grundproblem herunterbrechen: die neuen "Teilnehmer" am Leben der hiesigen Avifauna, sprich die Halsbandsittiche, nehmen anderen, einheimischen höhlenbrütenden Arten die Nistmöglichkeiten weg. Aufgrund der Tatsache, dass die Sittiche größer und kräftiger sind als die meisten natürlich vorkommenden Arten, können sie sich in aller Regel gegen diese durchsetzen.

Betroffen sind also vor allem verschiedene Spechtarten und höhlenbrütende Singvögel. Für den Kleiber beispielsweise ist inzwischen belegt, dass die Bestände in Gegenden, in denen auch die Sittiche vorkommen, massiv eingebrochen sind. Vor unseren Augen kann momentan also die Verdrängung ansässiger Arten durch "eingeschleppte" Neozoen (also Tiere, die in einem ihnen zuvor nicht zugänglichen Lebensraum heimisch geworden sind) beobachtet werden. Im Falle der Halsbandsittiche kann jedoch die Sorge in gewisser Weise eingeschränkt werden. Dass die Tiere sich in ganz Europa verbreiten werden, ist wegen des in weiten Teilen kontinentalen Klimas mit seinen doch noch kälteren Wintern eher unwahrscheinlich.

So bleibt also zu hoffen, dass die Verdrängung einiger mitteleuropäischer Vogelarten durch den Halsbandsittich weiterhin allenfalls regionale Ausmaße annehmen wird, welche die Gesamtpopulationen der jeweiligen Arten nicht in existentielle Bedrängung wird bringen können. Trotzdem sollte man sich, bei aller Freude "wilde" Sittiche in Deutschland beobachten zu können, doch auch bewusst darüber sein, dass es auch angesprochenen Kehrseiten der Medaille gibt.

 

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