Denkt man an das Wort „Fälschung“, so ruft es unwillkürlich negative Assoziationen wach. Gefälschter Schmuck, falsche Uhren oder gar Falschgeld haben keinen Wert, jedenfalls nicht den, den sie vorgeben zu haben. Derjenige, der (unwissentlich) in ihren Besitz gelangt, erleidet einen Nachteil, er hat einen materiellen Verlust zu tragen. Ganz ähnlich verhält sich der Sachverhalt, überträgt man ihn auf die Biologie. Auch hier gibt es Fälschungen, welche jeweils ebenso negative Auswirkungen haben, wie im kulturellen Bereich.
Der Geschädigte ist in diesem Fall freilich dann kein Mensch und der Schaden kein finanzieller. Ein Ökosystem oder bestimmte Tier- und /oder Pflanzenarten werden geschädigt und der hier angerichtete Schaden ist meist groß und nicht durch simple Summen zu beziffern. Wenn hier von Fälschungen gesprochen wird, so sind natürlich nicht z.B. Schlangenarten gemeint, die völlig ungiftig sind, in ihrem Aussehen aber giftige Arten imitieren und sich so wirkungsvoller vor potentiellen Fressfeinden schützen. Eine solche Strategie ist eine Täuschung. Diese Täuschungen haben sich bei vielen Arten auf verblüffende Weise entwickelt. Sie sind jedoch Ergebnis natürlicher Evolutionsentwicklungen, so dass der Begriff der Fälschung also keineswegs zutrifft.
Wenn hier von Fälschungen die Rede ist, so ist ein Moment zu beachten: eine Fälschung wird i.d.R. durch ein nicht auf natürliche Weise erfolgtes Ereignis hervorgerufen. Und freilich ist es also der anthropologische Einfluss, der gemeint ist, betrachtet man „Fälschungen“ in der Botanik und Zoologie. Hier soll nun nicht weiter erörtert werden, inwiefern auch bestimmte Züchtungsstrategien (die Hybridisierung vieler Nutz- und Zierpflanzen beispielsweise) ebenfalls schon eine Form der Fälschung darstellen.
Vielmehr soll ein anderer Aspekt betrachtet werden: die sogenannte Faunenverfälschung. Dieser Begriff bezeichnet einen in vielerlei Hinsicht problematischen Vorgang: das Einbringen von Tierarten in Gebiete, in denen diese Arten ursprünglich nicht vorkamen. Dieses ‚Aussetzen’ kann nun auf zweierlei Art erfolgen: absichtlich und unabsichtlich. Beide Formen können (im Idealfall) keine oder (im schlimmsten Fall) verheerende Auswirkungen haben auf das Ökosystem, in das sie neu eingebracht wurden und auf die dort lebenden Tier- und Pflanzenarten. wollten.
Eine absichtliche Faunenverfälschung erfolgte vor allem in den Fällen, in denen Menschen neue Gebiete besiedelten und sich von der jeweiligen Tierart einen Nutzen erhofften oder in Fällen, in denen Menschen ihren Lebensraum z.B. mit Jagdwild aus anderen Gebieten bereichern.
Das Problem an solchen Vorhaben, Tiere zum Nutzen von Menschen in für die jeweilige Art neuen Gebieten auszusetzen ist freilich, dass in aller Regel keine Kontrolle der ausgesetzten Tiere mehr möglich ist.
Entweder also, die Individuen finden Bedingungen vor, an die sie sich nicht anpassen können und sterben von selbst wieder aus. Oder aber – und das hat meist unerwünschte Nebeneffekte – die neue Art kann sich erfolgreich vermehren und in einem Lebensraum ausbreiten, den sie vorher nicht bewohnt hat. Manchmal geht eine solche Ansiedlung aber natürlich auch ohne größere Komplikationen vonstatten.
Der Fasan, der in Mitteleuropa beheimatet ist, ist z.B. ein Beleg dafür. Ursprünglich kommen alle Fasanen aus Asien. Der nun bei uns vorkommende Fasan gehört zum Artenkomplex der Ringfasanen, eine genaue Bestimmung der Unterart ist nicht mehr möglich. Eingeführt in Europa wurde er bereits von den Römern, so dass er als Fremdling natürlich längst nicht mehr erkannt wird. Er hat nun, im Gegensatz zu vielen anderen Arten, keine nennenswerten negativen Einflüsse auf die heimische Fauna gehabt. Weder Rebhuhn noch die europäische Wachtel (beides einheimische Vertreter der Hühnervögel) wurden durch das Auftreten des Fasans in Europa in ihrem Bestand beeinträchtigt, von anderen Vogelarten mit völlig differierenden ökologischen Nischen ganz zu schweigen.
Leider kann es aber auch anders kommen. Das europäische Wildkaninchen beispielsweise, in Australien ausgesetzt zu Jagdzwecken, hat sich dort so rasant vermehrt, dass es bald schon zur Plage wurde. Dass eine solche Anpassung an den neuen Lebensraum so erfolgreich verlaufen kann, ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Im Falle des Kaninchens etwa waren diese Bedingungen gegeben: es gab genug Nahrung, eine nur geringe Anzahl von Fressfeinden und ideale klimatische Voraussetzungen. Bedenkt man noch die hohe Reproduktionsrate der Kaninchen, so wird klar, warum Australien für diese Tierart zu einer Erfolgsgeschichte werden musste. Weniger erfolgreich war allerdings die Ansiedlung der Kaninchen für die australische Natur. Die Kaninchen besetzten eine ökologische Nische, die bereits durch Beuteltiere besetzt war.
Sie traten in massiven Konkurrenzkampf, den letztlich häufig die Kaninchen für sich entscheiden konnten. Eine übermäßige Strapazierung der Vegetation und eine Reduzierung der heimischen Tierarten (bis hin zur Ausrottung einiger Arten) waren die Folge. Nicht anders, oft sogar noch verheerender, verhält es sich, wenn Tiere unbeabsichtigt von Menschen in neue Gebiete eingebracht werden.
Wir können in Australien und Neuseeland bleiben und das Beispiel der Nagetiere (Ratten und Mäuse) nehmen, die natürlich nicht absichtlich dort ausgesetzt wurden, aber als blinde Passagiere auf den Schiffen der Europäer dennoch mitreisten und bis heute immense Schäden anrichteten und noch immer verursachen.
Vor allem Ratten sind die maßgebliche Ursache für das Aussterben einiger flugunfähiger Vogelarten, da sie sich als Nesträuber betätigen und auch Jungvögel nicht verschmähen. Ratten sind (neben Katzen und Wieseln) auch der Grund dafür, warum der Kakapo, einer der seltensten Papageien der Welt und ebenso wie viele andere neuseeländische Vogelarten flugunfähig, an den Rand der Ausrottung gedrängt wurde. Gerade europäische Nagetiere in Australien sind ein offensichtliches negatives Beispiel der Faunenverfälschung mit weitreichenden Folgen.
Man muss aber nicht bis ans andere Ende der Welt blicken um mit einem bemerkenswerten Fall von Faunenverfälschung konfrontiert zu werden, auch wenn hier auf den ersten Blick kein negativer Beigeschmack zu spüren ist: die Rede ist von Papageien in Deutschland. Längst dürfte bekannt sein, dass es in Deutschland inzwischen mehrere Papageienarten gibt, die zu den regelmäßigen Brutvögeln hier gehören.
Stellen die nur in Stuttgart vorkommenden Gelbkopfamazonen mit einer Gruppenstärke von ca. 30 Tieren noch allenfalls ein Faszinosum, jedoch kein wirkliches Problem, dar, so verhält es sich bei den Halsbandsittichen schon anders. Die genannten Amazonen sind darüber hinaus nur in Stuttgart selbst verbreitet, man kann also von einer lokalen Population sprechen, während es den Halsbandsittichen gelungen ist, sich zumindest an einigen Stellen regional (Rheinebene, Heidelberg, aber auch Paris, die Niederlande, Belgien) auszubreiten.
Lesen Sie in der nächsten Coco-News, wie es den Halsbandsittichen gelingen konnte, in Europa heimisch zu werden.....