Papageienhilfe Aachen e.V.
42. Ausgabe 1/05
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 42 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Grünfutter... |
3. Domestizierte Papageien | 4. Quo vadis, Wellensitttich? | 5. Infos in eigener Sache |

Quo vadis, Wellensittich?

Wie schon im vorhergehenden Artikel angedeutet, gibt es -im Gegensatz zu den Großpapageien- bei den Sittichen einige Arten, die bereits auf dem Weg der Domestikation sind und vielleicht sogar schon als domestiziert gelten können mit allen Vor- und Nachteilen die diese Feststellung mit sich bringt.
Allen voran kann hier sicherlich der allseits bekannte und beliebte Wellensittich angeführt werden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstmals lebend vom fünften Kontinent aus nach Europa gebracht hat dieser Vogel einen Triumphzug erlebt wie vor ihm allenfalls der Kanarienvogel wobei er den fleißigen Sänger der kanarischen Inseln rein zahlenmäßig längst überrundet haben dürfte. Man vermutet sogar, dass es in den Käfigen und Volieren der Vogelliebhaber auf der ganzen Welt inzwischen weit mehr Wellensittiche gibt als in ihrer australischen Heimat frei leben. Kaum eine Familie die nicht wenigstens eine Zeit lang mal einen ‘Hansi’ hatte, kaum ein Hobbyzüchter der nicht mit Wellensittichen erste Erfahrungen und Zuchterfolge sammelte bevor er sich an schwierigere Arten heranwagte.
Was bedeutet die enorme Popularität dieses Vogels bei den Menschen aber für die Entwicklung der Art an sich?

Um es vorweg zu nehmen: Die nun mehr als hundert Jahre andauernde intensive Zucht des Wellensittichs in menschlicher Obhut hat aus dem ehemals kleinen grünen und unscheinbaren Vogel des australischen Outbacks ein Haustier werden lassen welches mit dem wilden Wellensittich fast nur noch den Namen gemein hat.

Vor allem die heutigen Ausstellungswellensittiche (sogenannte Standardwellensittiche) haben sich weiter denn je vom Wildvogel entfernt.

Sie sind nicht nur größer als ihre wilden Vettern (manchmal bis zu 6 cm Größenunterschied), sie sind auch schwerer und vor allem: sie sind bunter. Unsere heutigen ‘Hauswellensittiche’ sind längst nicht mehr einheitlich grün, es gibt sie (außer in rot und schwarz) in nahezu allen Farben und Farbkombinationen. Dies ist auch ein wesentliches Kriterium der Domestikation: das Auftreten von Mutationen. Mutationen sind vererbbare Veränderungen des Erbgutes. Hierbei muss es sich nicht immer um Farbmutationen handeln. Auch Gefiederstrukturen (beim Wellensittich z. B. das Auftreten von Hauben) können sich im Zuge der Domestikation durch Mutationen verändern. Meist sind es aber doch die Gefiederfarben die im Laufe der Domestikation durch spontane Mutationen eine Veränderung erfahren und dann vom Menschen bewusst und gezielt weiter vermehrt werden.

Man kann davon ausgehen, dass ohne die enorme Farbvariabilität die der Wellensittich im Zuge der letzten hundert Jahre an den Tag legte seine große Beliebtheit nicht möglich gewesen wäre.
Doch die Tatsache, dass Wellensittiche heute als praktisch domestiziert gelten können beinhaltet auch negative Aspekte, vor allem für die Vögel selbst.

Denn vor allem bei den Standardvögeln ist nach Meinung vieler Experten das Ende der Fahnenstange bald erreicht, wenn nicht sogar schon überschritten. Die Vögel sind extrem groß geworden (dies wurde durch Selektion erreicht, d.h. man hat über längere Zeiträume immer die größten Vögel miteinander verpaart). Dies bedeutet nunmehr, dass heutige Standardwellensittiche oftmals zu schwer sind um wirklich gut fliegen zu können. Auch leidet die Fruchtbarkeit und die Lebenserwartung.
Es spricht nichts dagegen aus Wildtieren Haustiere werden zu lassen und dieses Ziel durch eine gewisse Zuchtauswahl schneller zu erreichen, man muss jedoch das Tier im Auge behalten und darf keine Zuchtrichtung in eine Extremzucht ausufern lassen.

Stellt man Verhaltensdefizite fest (ist z.B. die natürliche Aufzucht der Jungen durch die Eltern nur noch mit Problemen möglich) oder treten Inzuchtdepressionen auf, so muss man diesen Degenerationserscheinungen durch vernünftiges Verpaaren entgegensteuern.

Grundsätzlich also haftet dem Domestizieren von Tieren demnach nichts Negatives an, die Domestikation muss aber in einem vernünftigen Rahmen erfolgen.

Bedenklich sind Entwicklungen, die die Wildform völlig außer acht lassen und ihr ganzes Augenmerk auf das Erreichen immer neuer Farben und Farbkombinationen (manchmal auch aus finanziellem Interesse heraus) richten. Dies ist leider inzwischen bei recht vielen australischen Sitticharten, bei einigen Agapornidenarten und bei Halsbandsittichen zu beobachten. Gerät hierbei die Wildform ganz in Vergessenheit, so ist dies nicht nur schade, sondern kann auch sehr bedenklich werden. Dies vor allem dann, wenn die entsprechenden Wildformen auch in der Natur z.B. durch Habitatszerstörung vor der Ausrottung stehen.

Oberstes Ziel all derer die sich dem Umgang mit Tieren und der Natur verschrieben haben muss also ein vernünftiger und von Nachhaltigkeit geprägter Umgang mit den anvertrauten Geschöpfen sein. Nicht das Geld, das Tier muss im Mittelpunkt stehen. Fehlentwicklungen, wie gerade beim Wellensittichen durchaus zu beobachten muss entgegen gesteuert werden damit unser Hobby wirklich Sinn macht und man noch guten Gewissens von praktiziertem Tier, Arten- und Naturschutz sprechen kann.

 

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