Kommentar zur Aufhebung der Psittakose – Verordnung
Wer hätte das gedacht! Für langjährige Papageienhalter und –züchter dürfte die Nachricht einem Wunder gleichkommen mit dem auch die größten Optimisten unter ihnen so wohl nicht gerechnet haben werden. Tatsächlich ist zu erwarten, dass die Psittakose-Verordnung aufgehoben werden wird. Die Bundesländer haben sich bereits mehrheitlich für eine Aufhebung ausgesprochen, sodass Ende September davon auszugehen ist, dass sich der Bundesrat in der entsprechenden Sitzung diesem Votum anschließen wird. Was aber bedeutet dieser Schritt für Papageienhalter und vor allem für (Hobby-)Züchter?
Es ist dies das Ende eines deutschen Sonderweges, der schon vor geraumer Zeit beschritten wurde, der jedoch zu keiner Zeit wirklich Sinn gemacht hat. Alle, die sich mit Sittichen und Papageien einmal näher befasst haben, wissen es: wollte man einen Sittich oder Papagei erwerben oder selber abgeben, dann war das in Deutschland nicht so einfach möglich. Je nach Art musste man zumindest seine Verbindungsdaten bekannt geben, damit der Verkäufer diese zusammen mit den Daten des Vogels in sein Nachweisbuch eintragen konnte, denn zumindest als Züchter war man verpflichtet, über seinen Bestand genauestens Buch zu führen. Dies war auch dann der Fall, wenn man keine seltenen und bedrohten Großpapageien pflegte, sondern z.B. nur ein paar ganz normale Wellensittiche sein Eigen nannte. Diese Buchführungspflicht hing mit dem Grund, warum in Deutschland jede Papageienzucht, auch jede kleinste Hobbyzucht, einer Zuchtgenehmigung bedurfte, zusammen, und eben dieser Grund war nicht im Artenschutz zu finden. Es war einzig die Psittakose-Verordnung, die diesen unverhältnismäßig großen bürokratischen Aufwand erforderlich machte. Man muss diese zwei Themenfelder sehr genau trennen, um die Kritik, die vor allem von verschiedenen Vogelzuchtverbänden an der gängigen bürokratischen Praxis anhaltend und wie ich meine zu Recht, geäußert wurde, adäquat nachvollziehen zu können:
Auf der einen Seite gibt es den notwendigen Umstand, seltenere und bedrohte Papageienarten sinnvoll zu schützen, einen Überblick über ihre Bestandssituation zu erhalten und die Bemühung, diesen Bestand in Menschenhand möglichst effektiv zu vergrößern oder zumindest zu sichern. Diese Aspekte fallen unter die Rubrik Artenschutz. Auf der anderen steht das Thema Krankheiten. Und genau hier, genauer im Tierseuchengesetz, noch genauer in der schon genannten Psittakose-Verordnung ist der Ursprung zu finden, warum es bisher in Deutschland unvergleichlich schwieriger als in anderen europäischen Ländern war, Papageien und Sittiche legal zu züchten. Sprich, nicht die Seltenheit der Vögel gab den Anstoß für die diversen Reglements, sondern eine einzige Krankheit, nämlich die Psittakose, war dafür verantwortlich.
Bei der Psittakose handelt es sich um eine Vogelkrankheit, welche durch Bakterien (Chlamydien) hervorgerufen wird. War die Krankheit früher gefürchtet und vermochte sie ganze Bestände auszulöschen, so ist sie heute zuverlässig mit verschiedenen Medikamenten zu behandeln. Der Grund dafür, dass durch diese Krankheit ein so aufwändiges System wie das Erteilen von Zuchtgenehmigungen und das Verpflichten der Züchter zur Buchführung installiert wurde, lag daran, dass die Psittakose eine Zoonose ist. Als Zoonose werden (Infektions-)Krankheiten bezeichnet, welche vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Mit anderen Worten, bei der Psittakose haben wir es mit einer Krankheit zu tun, mit der man sich anstecken kann, wenn man näheren Umgang mit erkrankten Vögeln hat. Auch gehört die Psittakose daher zu den meldepflichtigen Krankheiten, ihr Auftreten muss also gemeldet, ihre Behandlung amts(tier-)ärztlich begleitet werden. Erkranken Menschen, können, falls keine Behandlung erfolgt, ernsthafte Gesundheitsschäden, vereinzelt sogar Todesfälle die Folge sein. Dies sind jedoch absolute Ausnahmen und gelten vor allem für Psittakosefälle, welche, wie gesagt, nicht medizinisch behandelt werden. Heut kann man sagen, hat die Psittakose sowohl für Mensch als auch für Tier ihren größten Schrecken verloren, die aufgetretenen Fälle sind seit Jahren rückläufig. Menschen erkranken ohnehin nur noch in ganz wenigen Einzelfällen (die Krankheitsfälle bei Menschen in Deutschland belaufen sich i.d.R. auf Zahlen im zweistelligen Bereich pro Jahr, dies bei einer Einwohnerzahl von ungefähr 80 Millionen Menschen!). Insofern ist es gut und richtig, die bestehende Psittakose-Verordnung zu kippen und endlich aufzuhören, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.
Es gibt aber noch einen weiteren, noch wichtigeren Grund, die Psittakose- Verordnung in ihrer jetzigen Form nicht weiterzuführen, ich habe es bereits angedeutet: die Psittakose- Verordnung hat noch nie Sinn gemacht und war immer überflüssig, kein anderes Land ist dann auch dem deutschen Vorgehen in dieser Sache gefolgt. Der Grund dafür ist lapidar einfach: jeder Vogel, nicht nur Papageien und Sittiche, kann sich mit Chlamydien infizieren und so an der Psittakose erkranken. Nur, handelt es sich bei dem erkrankten Tier nicht um einen Papagei oder Sittich (also einen Angehörigen der Psittaciden), dann spricht man nicht von Psittakose, sondern von Ornithose! Die Erreger, die Krankheit und die Gefahr, sich als Mensch anzustecken, sind völlig identisch. Bei der Psittakose und der Ornithose handelt es sich um dieselbe Krankheit!
Jeder Vogel, egal ob Haushuhn, Haustaube, Zebrafink, oder Kanarienvogel, egal ob der Pfau im Park oder der Schwan auf dem Stadtweiher, jeder Vogel kann sich mit dem Erreger anstecken und hat dann entweder Psittakose (wenn es sich bei dem kranken Tier um einen Papagei handelt) oder eben Ornithose (wenn der betroffene Vogel kein Papagei ist). Doch können alle kranken Vögel, egal welcher Familie sie angehören, den Menschen mit dem Erreger anstecken. Nur, und hier wird das absurde Ausmaß erst klar: für Kanarienvögel, Haustauben, Hühner oder sonstige gefiederte Tiere, brauchte man in Deutschland nie eine Zuchtgenehmigung, genauso wenig bestand jemals eine Buchführungspflicht für diese „Nichtpapageien“. Daher lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass die Psittakoseverordnung und der durch sie verursachte Rattenschwanz schon immer so überflüssig wie ein Kropf waren.
Denn wenn man für Papageien eine Genehmigung braucht, damit bloß alle den Überblick über den erkrankten Bestand haben im Falle eines Psittakoseausbruches, man sich aber beim sonntäglichen Spaziergang im Park bei einer Stockente mit Ornithose ansteckt, dann ist nicht nur niemandem geholfen, dann wird auch unwiderlegbar klar, wie sinnlos ein so eng auf die Psittakose gelegtes Vorgehen ist. Dass jahrzehntelang völlig unnötig Gelder verschwendet wurden, sei hier nur am Rande erwähnt. Doch sollten wir nun alle froh sein, dass der Spuk endlich ein Ende hat. Ab Herbst 2012 wird es auch in Deutschland wieder möglich sein, Papageien und Sittiche zu halten und zu züchten, ohne eine Zuchtgenehmigung zu beantragen und ohne eine erzwungene Buchführung durchführen zu müssen.
Endlich werden Papageien und Sittiche wieder mit allen anderen von Menschen gehaltenen Vogelgruppen auf dieselbe Stufe gestellt. Endlich erfolgt wieder die Gleichbehandlung, die immer schon angebracht war, da die Psittakoseverordnung nie einen Gesamtüberblick über die von Chlamydien verursachten Infektionen zu geben vermochte sondern naturgemäß immer nur die Fälle erfassen konnte, bei denen Papageien betroffen waren. Was aber bedeutet diese wirklich bahnbrechende Neuerung nun für die Halter und Züchter von Papageien und Sittichen?
Sie bedeutet vor allem eins: einen weiterhin verantwortungsvollen Umgang mit den Tieren. Denn auch wenn die Psittakoseverordnung nun wegfällt, sollte man doch versuchen, seinen Bestand auch in Zukunft gut zu überblicken, eine Buchführung hilft hier sehr und ist je nach Größe der Zucht unerlässlich. Nur wird jetzt eben keine strenge amtliche Buchführung mehr verlangt und wer sein Pärchen Wellensittiche während des Urlaubs mal zu Verwandten gebracht hat und die Vögel dort versehentlich brüten, dann braucht man jetzt auch nicht mehr die ganze Zucht umzumelden. Und wenn die Jungen nach dem Urlaub zu groß sind um noch geschlossen beringt zu werden, dann dürfen die Tiere jetzt, ganz offiziell von Amtswegen her, ihr Leben auch ohne (vielleicht sogar störenden) Fußring verbringen. Dennoch sei angemerkt, dass es grundsätzlich natürlich die bessere Lösung ist, die Vögel individuell zu kennzeichnen, denn dies bringt viele Vorteile mit sich. Z.B. lassen sich die Vögel nicht nur eindeutig unterscheiden, man kann auch den Besitz des Tieres leichter nachweisen im Falle eines Diebstahls. Dass nun die Psittakose- Verordnung wegfällt, ist für alle Menschen, die Papageien halten und züchten sicher eine große Entlastung und wird viele Vorgänge vereinfachen.
Eines ändert sich jedoch keineswegs, vor Verwechslungen sei hier ausdrücklich gewarnt: alle Schutzaspekte, die den Artenschutz betreffen, bleiben gleich! Das heißt, besonders geschützte Arten müssen weiter mit amtlich anerkannten Mitteln (z.B. den sogenannten Artenschutzringen) gekennzeichnet werden. Auch sonst muss alles, was vorher bei der Haltung, Zucht und Weitergabe besonders geschützter Arten Beachtung fand, weiter uneingeschränkt beachtet werden. Dies ist in Zeiten zunehmenden Artensterbens auch unbedingt sinnvoll und muss uneingeschränkt eingehalten werden. Und doch ist eine große Veränderung eingetreten, denn, das lässt sich so pathetisch zusammenfassen, von nun an kann auch in Deutschland die Haltung und Zucht von Papageien und Sittichen wieder so normal ablaufen wie in anderen Ländern auch.
Abschließend bleibt noch die wichtigste Feststellung festzuhalten: einmal mehr war es der BNA, der Bundesverband für fachgerechten Natur- und Artenschutz, der diese Entwicklung hin zu Abschaffung der Psittakose- Verordnung maßgeblich begleitet und voran getrieben hat und der es letztendlich tatsächlich geschafft hat, dass die Psittakose- Verordnung in Deutschland nun tatsächlich fällt. Der BNA hat damit die Papageien- und Sittichhaltung in nicht zu unterschätzender Weise neu gestaltet und kann mit diesem Ergebnis einen weiteren großen Erfolg seiner langjährigen überaus wichtigen Arbeit vorweisen!