Zoologische Gärten können inzwischen in vielen Fällen auf lange Traditionen zurückblicken. Entstanden aus den frühen Menagerien und Tiersammlungen, die, zum Erstaunen der Bevölkerung früherer Jahrhunderte, neu entdeckte, exotische Tiere in vergitterten Käfigen ausstellten, haben Zoos besonders im 20. Jahrhundert eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Die Gehege in unseren heutigen, modernen Tiergärten haben mit den gefängnisgleichen Gitterkäfigen früherer Zeiten nichts mehr gemein. Geprägt von der Idee Hagenbecks, einen Zoo ohne Gitter zu errichten, gleichen viele Zoos heute Parks, in denen die verschiedensten Tierarten in artgerecht und naturnah eingerichteten Gehegen ein neues Zuhause gefunden haben.
Ein besonders gelungenes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung moderner Tiergartenphilosophie ist hierbei der Zoologische Garten der Stadt Köln. Neben der schon seit vielen Jahren vorbildlichen Haltung von Menschenaffen, welche eine Art Vorreiterrolle spielte und viele Nachahmer in anderen Zoos gefunden hat, sind über die Jahre immer weitere Attraktionen hinzugekommen und ließen einen Besuch im Kölner Zoo zu einem interessanten Erlebnis werden.
Dazu gab und gibt es bemerkenswerte Erfolge im internationalen Artenschutz, die durch die Mithilfe des Kölner Zoos zustande kamen. Ohnehin gäbe es also genug Gründe für eine Naturschutzorganisation, eine anstehende Tagung im Zoo der Stadt Köln stattfinden zu lassen.
Das Jahr 2010 jedoch bot einen besonders geeigneten Anlass dazu: der Kölner Zoo, im Juni 1860 eröffnet, feierte sein 150 jähriges Bestehen. Aus diesem Grund veranstaltete der Fonds für bedrohte Papageien seine alljährliche, schon zum 14.mal ausgerichtete Tagung über Papageienschutzprojekte eben dort, im Zoo der Rheinmetropole. Der Fonds für bedrohte Papageien ist eine Arbeitsgruppe innerhalb der ZGAP.
Hierbei handelt es sich um die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. Dieser Verein ist anerkannt gemeinnützig, hat seinen Sitz in München und wurde 1982 gegründet. Ziel des Vereins ist es, zum Schutz und zur Erhaltung wenig bekannter und dennoch stark bedrohter Tierarten beizutragen. Pandas, Elefanten und andere Arten sind nicht nur bekannt, sie sind auch beliebt.
Spenden für ihren Schutz zu sammeln stellt sich deshalb als nicht allzu schwierig dar. Wer aber schütz eine seltene, ganz und gar nicht beliebte und doch für ihr Ökosystem ebenso wichtige Schlange? Wer schütz eine Hirschart, die fast niemand kennt, die aufgrund von Lebensraumverlust (und evtl. Jagd) aber nur noch in wenigen Exemplaren vorkommt?
Dieser Aufgabe hat sich die ZGAP verschrieben, wobei mit einer Vielzahl anderer Organisationen und der Bevölkerung in den Lebensräumen der jeweiligen Arten enge Kooperationen bestehen. Das Bemerkenswerteste hierbei: alle, wirklich alle Gelder fließen in die Schutzprojekte. Alle Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich, sogar die Reisen in die teils weit entfernten Lebensräume der bedrohten Tierarten werden ausschließlich privat finanziert.
Dieses Modell dürfte für eine Hilfsorganisation selten, wenn nicht gar einmalig sein. Was für die gesamte ZGAP gilt, gilt natürlich auch für den Arbeitskreis, der sich mit bedrohten Papageien beschäftigt. Dieser Fonds für bedrohte Papageien hat bereits eine große Zahl verschiedener Projekte gefördert und schon beachtliche Erfolge erzielt. Bestandserfassungen im Freiland, der Bau von Nistkästen, Posteraktionen für Schulkinder, welche so über ihre einheimische Fauna aufgeklärt werden und Vieles andere mehr gehören zur Arbeit des Fonds.
Auf der alljährlichen Fondstagung gibt es dann interessante Vorträge rund um das Thema bedrohte Papageien, wobei auch eine Zusammenfassung über die laufenden Projekte nicht fehlt. Die Ausstellungshalle des Tropenhauses des Kölner Zoos war für die Austragung einer solchen Tagung gut geeignet.
Im Vorraum hatte man einen Bücherstand aufgebaut, der über eine große Bandbreite rund um die Themen Ornithologie und Zoos informierte, teils gab es auch antiquierte, längst vergriffene Literatur, die man anderswo vergeblich sucht. Der Sprecher des Fonds für bedrohte Papageien, Renè Wüst, fasste in seinem Vortrag noch einmal die teils schon angedeuteten Aufgaben des Fonds zusammen, gab Einblick in die Arbeitsabläufe und informierte über einige der laufenden Projekte.
Um vom Fonds für bedrohte Papageien eine finanzielle Förderung zu erhalten, müssen Anträge und Berichte (von z.B. Biologen) eingereicht werden. Der Fonds prüft dann jeden Antrag sehr genau, manchmal dauert dieser Prozess sehr lange.
Doch auf diese Weise wird nicht nur sicher gestellt, dass die Gelder auch wirklich an die richtigen Stellen gegeben werden, sondern auch, dass vor allem wirklich kritisch bedrohte Arten unterstützt werden. Der Fonds orientiert sich bei der Einschätzung des Status einer Art ( also wie bedroht der Freilandbestand einer Art ist) grob an der Roten Liste von Bird Life International.
Diese Liste jedoch ist nicht immer für alle Arten auf dem neuesten Stand und so musste der Status einer Art schon mehrfach aufgrund der Arbeit des Fonds korrigiert und die Einschätzung aktualisiert werden. Seit dem Bestehen des Fonds (in seiner heutigen Form seit 1991) wurden bisher bereits 42 bedrohte Papageienarten mit insgesamt mehr als einer halben Million Euro unterstützt. Neben den Maßnahmen, die den Tieren unmittelbar helfen, unterstützt der Fonds auch Hilfen, die erst mittelbar greifen, aber dann freilich ebenso wichtig sein werden.
Zu letzteren gehört beispielsweise die Finanzierung von Baumschulen. Bis aus kleinen Setzlingen Bäume geworden sind, die den Tieren als Nahrung und Brutmöglichkeit dienen, vergehen natürlich viele Jahre. Doch in Fällen, in denen große Areale der ursprünglichen Vegetation zerstört wurden, ist es enorm wichtig, durch solche Renaturierungsmaßnahmen wieder für größere Flächen geeigneten Lebensraumes zu sorgen.
Ebenfalls von grundsätzlicher Wichtigkeit, ist die Frage, wie lange ein Projekt Unterstützung benötigt. Mit dem schnellen Überweisen von Geld und vielleicht einem Kontrollbesuch ist es jedenfalls nicht getan. Wüst nannte als durchschnittliche Dauer fünf bis sechs Jahre, in denen nicht nur die notwendigen Summen zur Verfügung gestellt werden müssen, sondern in denen auch eine enge persönliche Begleitung des Projektes durch Mitarbeiter des Fonds gewährleistet sein muss. Besonders wichtige Projekte in der letzten Zeit betrafen u.a. den Molukken- und den Rotsteißkakadu, beides Arten, deren Freilandbestände stark zurück gegangen sind, aber auch den Weißohrsittich, dessen freilebender Bestand nur noch ca. 300 Exemplare umfasst.
Da Artenschutzarbeit naturgemäß eher von negativen Nachrichten lebt, ist es besonders erfreulich, dass es immer wieder auch Neuigkeiten gibt, die Hoffnung machen. So gibt es vom hochbedrohten Gelbohrsittich inzwischen wieder mehr als 1000 Tiere in freier Natur. Wer mehr über den Fonds für bedrohte Papageien oder allgemein über die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz erfahren möchte, kann sich beispielsweise im Internet unter www.papageienfonds.de bzw. unter www.zgap.de informieren.
Hier gibt es auch Informationen über laufende Projekte und die Möglichkeit, die Arbeit des Fonds durch Spenden und/ oder eine Mitgliedschaft zu unterstützen. Wünschenswert und wichtig ist es allemal, die wertvolle ehrenamtliche Arbeit engagierter Artenschützer zu honorieren.
Der erste Vortrag des Tages stammte von Jörg Asmus. Dieser koordiniert die Erhaltungszuchtprogramme der VZE. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die „Vereinigung für Zucht und Erhaltung einheimischer und fremdländischer Vögel e.V.“. Sitz dieses Vereins ist Leipzig. Bereits in der Vergangenheit hat die VZE mehrere Erhaltungszuchtprojekte initiiert, so z.B. für Rotachselpapageien (Psittinus cyanurus) und für die afrikanischen Vasapapageien (Coracopsis sp.). Auf der diesjährigen Fondstagung wurde nun das neue Projekt vorgestellt: es geht um die wahrscheinlich allen Papageienfreunden wohlbekannten Agaporniden oder auch Unzertrennlichen (Agapornis spp.).
Warum nun, könnte man fragen, braucht man für so häufige Vögel ein Schutzprojekt? Dies hat verschiedene, leider gute Gründe. Zum Ersten gibt es verschiedene Agapornidenarten, nicht alle davon gibt es in Menschenhand in großer Anzahl. Neben dem allseits bekannten Rosenköpfchen (Agapornisroseicollis) kennen wir noch vier weitere Arten ohne weißen Augenring. Das sind im einzelnen der Berg- oder Tarantapapagei (A. taranta), das Grauköpfchen (A. canus), das Orangeköpfchen (A. pullarius) und, noch nie für längere Zeit in Menschenobhut vorhanden, das Grünköpfchen (A. swindernianus).
Bei den Arten mit weißem Augenring dürfte das Schwarzköpfchen (A. personatus) dicht gefolgt vom Pfirsichköpfchen (A. fischeri) die bekannteste Art sein. Doch gibt es noch zwei weitere Arten (je nach Systematiker auch als Unterarten ausgewiesen) mit weißem Augenring: das Rußköpfchen (A. nigrigenis) und das Erdbeerköpfchen (A. lilianae). Vor allem das Rußköpfchen kann als Beispielart dienen, um das ganze Dilemma, in dem die Gattung Agapornis steckt, zu verdeutlichen.
Rußköpfchen sind in Menschenhand sehr häufige Vögel. Sind sie auch als Heimvögel lange nicht so verbreitet wie Rosen- und Schwarzköpfchen, so gilt ihr Bestand bei den Hobbyzüchtern als gesichert. Einerseits. Andererseits wiederum ist das ganz und gar nicht der Fall. Denn: die ganz überwiegende Anzahl der in Europa (und anderswo) gehaltenen Rußköpfchen hat mit ihren freilebenden Artgenossen in Afrika nur noch wenig gemeinsam. Der Grund hierfür ist vor allem die zunehmende Anzahl an auftretenden Farbmutationen, wodurch nicht nur der Genotyp, sondern auch der Phänotyp der Vögel verändert wird.
Leider sind nicht alle Mutationen des Rußköpfchens innerhalb dieser Art selbst aufgetreten. Da sich die Agapornis-Arten mit weißem Augenring untereinander kreuzen können und die Nachkommen i.d.R. unbegrenzt fruchtbar sind (daher auch die Vermutung, dass es sich nur um Unterarten, nicht aber um Arten handelt), hat man einfach, um schneller Rußköpfchen in neuen Farben zu erhalten, andere Arten, vor allem Schwarzköpfchen eingekreuzt.
Das alles wäre nun nicht so dramatisch, wenn der freilebende Bestand der Rußköpfchen noch gesichert wäre, genau das ist aber eben nicht mehr der Fall. Im ungünstigsten Fall könnte das Schreckensszenario für die Rußköpfchen also wie folgt aussehen: tausende und abertausende Vögel in Menschenobhut, die jedoch durch Farbzucht und (gewollte) Hybridisierung mit der ursprünglichen Art nichts mehr (oder nur noch wenig) zu tun haben und ein Wildbestand, der im schlimmsten Fall erlischen wird.
Ähnlich stellt sich die Situation übrigens auch für das Erdbeerköpfchen dar. Und, obwohl es paradox ist, geben diese Vögel also ein Beispiel für Arten, die in ihrem Bestand (was den „natürlichen“ Genotyp und Phänotyp angeht) hochbedroht sind, während es doch andererseits eine noch genügend große Individuenzahl (mit verändertem Aussehen) gibt. Das Rußköpfchen würde im schlimmsten Fall also zwar aussterben, doch würde eine veränderte, domestizierte Form, die sich freilich immer weiter vom Wildtyp weg entwickelt, übrigbleiben.
Um dies zu verhindern, hat die VZE nun das schon genannte Erhaltungszuchtprojekt ins Leben gerufen. In diesem Projekt soll es mittelfristig um alle Agaporniden gehen, doch hat man mit dem Rußköpfchen begonnen. Neben der schon genannten Mutationszucht und den Hybridisierungen, stehen die Tiere nämlich noch vor weiteren Problemen. Nicht nur sind es neue Farben, die den Genpool der Tiere als verändert entlarven, auch sogenannte wildfarbene Tiere sind nach Jahrzehnten in Menschenhand oftmals nicht mehr so wildfarben wie ihre tatsächlich wildfarbenen Verwandten in Afrika.
Die Ursache hierfür ist die Standardzucht für Vogelausstellungen. Um möglichst gut gefärbte, bunte Tiere zu erhalten, hat man eine Selektionszucht hin zu den besonders intensiv gefärbten Tieren betrieben. Dadurch kam (und kommt) es zu einer Überbetonung bestimmter Merkmale. So haben wildfarbene Schwarzköpfchen in Menschenhand häufig eine rein gelbe Brust, während die „Originaltiere“ in Afrika meist einen orangefarbenen Anflug im Kehlbereich zeigen.
Ein letztes großes Problem stellen schließlich die Krankheiten dar. Man vermutet, dass große Teile der Agapornidenbestände ein Virus tragen, dass die Schnabel- und Federkrankheit (PBFD) hervorrufen kann (mehr dazu in einem späteren Artikel). Um nun trotz aller Schwierigkeiten trotzdem einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, hat die VZE in ihrem Projekt nun begonnen, die vorhandenen Rußköpfchenbestände zu erfassen.
Selbstverständlich geht es nur um die (zumindest äußerlich) wildfarbenen Vögel. Ausdrücklich wird den Tieren eine Variationsbreite zugestanden, um so enge Definitionen wie sie in der Standardzucht für Ausstellungen herrschen, zu vermeiden, da eine größere Variationsbreite einher geht mit größerer genetischer Varianz. Nach der phänotypischen (äußeren) Einschätzung der Vögel erfolgt noch eine molekulargenetische Untersuchung, mit dem Ziel einer „endgültigen“ Zertifikation über die Artenreinheit des jeweiligen Vogels.
Später sollen die Tiere dann mithilfe eines entsprechenden Computerprogramms so verpaart werden, dass die noch wenigen vorhandenen wildfarbenen Stämme vergrößert und gefestigt werden ohne den Inzuchtgrad zu erhöhen. Erste Erfolge gibt es bereits. So wurden in Deutschland immerhin sechs Zuchtlinien mit 56 Vögeln festgestellt, die als rein wildfarben angesprochen werden können. Ebenfalls erfreulich ist, dass es entsprechende Bemühungen inzwischen auch schon im europäischen Ausland gibt, sodass auf diese Weise das Projekt auf eine noch breitere Basis gestellt werden kann. Hoffen wir also, dass die vielversprechenden Anfänge ermöglichen werden, die Arten der Gattung Agapornis in ihrem „natürlichen“ Erscheinungsbild zu bewahren. Weitere Infos zum Projekt gibt es u.a. im Internet unter www.agapornis-projekt.de.