Papageienhilfe Aachen e.V.
45. Ausgabe 1/06
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 45 |
| 1. Der Mohrenkopfpapagei
| 2. Von einem Papagei zu zweiundzwanzig | 3. Aggressionen bei Papageien und aggressive Papageien |

Aggressionen bei Papageien und aggressive Papageien

Beide Termini der Überschrift haben auf den ersten Blick dieselbe Bedeutung, sie hängen auch tatsächlich zusammen. Und doch besteht ein wichtiger Unterschied, was im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

Beinahe alle Tierarten kennen in ihrem jeweiligen artspezifischen Verhaltensrepertoir auch aggressive Elemente, Papageien sind hier keine Ausnahme. Das Interessante an Papageien in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass es sich bei den meisten Arten um sehr gesellige und in oft großen Sozialverbänden lebende Tiere handelt. Papageien leben in der Natur also niemals allein und sind dauerhaft von Artgenossen umgeben. Deshalb ist es immens wichtig, dass die vorhandene Aggression reguliert werden kann, da sonst die Gefahr bestünde, dass sie auf Angehörige der eigenen Art übergreift. Verletzen sich Individuen der selben Art jedoch ständig - z.B. durch Machtkämpfe- so würde, durch immer wieder auftretende Todesfälle, die genetische Basis einer Art verringert werden und die Art würde sich im schlimmsten Fall selbst ausrotten. Um dies zu vermeiden haben Tierarten, vor allem sozial lebende, während der Evolution interessante Schutzstrategien entwickelt, um vor der eigenen, der innerartlichen Aggression, weitgehend sicher zu sein. Man kann dies anschaulich mit einer Art "Code" vergleichen, ein Code, der zumindest von den Vertretern derselben Art verstanden wird. Besonders erwähnenswert ist hier, dass Papageien fähig sind, Hierarchien auszubilden. Dies ist nicht nur von Vögeln (auch z.B. Hühner bilden Rangordnungen aus), sondern ebenso von Säugern (Wölfe, Primaten) und sogar von Fischen (Buntbarschen) bekannt. Es handelt sich demnach um ein durchaus erfolgreiches und weitverbreitetes Konzept. Die Rangordnung dient dazu, Kräfte zu sparen, da hierdurch nicht jedesmal wieder neu festgelegt werden muss, wer in der Gruppe z. B. zuerst fressen darf. Solch eine soziale "Treppe" ist jedoch keinesfalls statisch: ein Auf- oder Abstieg ist durchaus möglich, so dass auch Jungtiere immer wieder Gelegenheit haben, die "gesellschaftliche Karriereleiter" zu erklimmen. Auch die Festlegung der jeweiligen Gruppenhierarchie erfolgt möglichst Kraft sparend. Dazu haben die einzelnen Arten eine ritualisierte Körpersprache, die mit entsprechenden Symbolhaltungen und - handlungen versehen ist, entwickelt. In den Scheinkämpfen wird - u. a. durch auffällige drohende Verhaltensweisen wie z.B. erregtes Verengen der Pupillen, einschüchterndes Abstellen der Flügel usw. - meist schnell entschieden wer der Stärkere und wer der Schwächere ist. Relevant ist für das unterlegene Tier nach einem solchen innerartlichen Kampf natürlich die Möglichkeit, dem dominante Individuum auszuweichen. Hier nun liegt eins der großen Probleme beim Thema Aggressivität in der Papageienhaltung: unterlegene Tiere haben häufig eben nicht die Möglichkeit dem Sichtfeld der dominanten Gruppenmitglieder zu entkommen. Die Folge ist häufig, dass bei den sozial stärkeren Tiere aufgrund andauernden Provoziertwerdens durch die Schwächeren (woran diese freilich nicht schuld sind, sie können das Gehege schließlich nicht verlassen) die innerartlichen Mechanismen (Beißhemmung ect.) versagen und es zu Verletzungen kommen kann. Auch deshalb ist es wichtig, seine Tiere immer genau zu beobachten und Ausweichvolieren für unterlegene Tiere zur Verfügung zu haben.

Was aber machen wenn sich das aggressive Verhalten eines Vogels nicht gegen Artgenossen oder andere Vögel sondern gegen den menschlichen Besitzer richtet? Oft wird dann dem Vogel der schwarze Peter zugeschoben, er wird abgegeben oder nicht mehr aus seinem Käfig gelassen in welchem er dann mitunter jahrelang ohne Unterbrechung bleiben muss. Das ist bedauerlich denn wie so oft sind die Probleme meist hausgemacht und wären durch verschiedene Maßnahmen im Vorfeld zu vermeiden gewesen. Papageien, die einmal aber ein gesteigertes Aggressionspotenzial gegenüber Menschen an den Tag gelegt haben, ist dies meist nicht mehr dauerhaft abzugewöhnen. Warum werden die Tiere aber überhaupt aggressiv? Papageien haben (wie übrigens alle Lebewesen, einschließlich uns Menschen) das Bedürfnis, ihr Verhalten vollständig, d.h. in allen Facetten auszuleben. Eine dieser Facetten ist nun leider die Möglichkeit, Aggressionen zu zeigen. Dies ist im Freiland überlebensnotwendig, um z.B. Nahrungskonkurrenten oder Mitbewerbern um Nisthöhlen wirksam begegnen zu können. In Menschenobhut stellen all diese Faktoren keine Probleme dar. Es steht genug Nahrung zur Verfügung und auch alle anderen Grundbedürfnisse sind in aller Regel in ausreichendem Maße erfüllt. Es gibt also für das aggressive Verhalten keine objektiv sinnvollen Gelegenheiten mehr um ausgelebt werden zu können, es ist schlichtweg überflüssig. Da es aber im genetischen Programm der Tiere enthalten ist, kann es nicht so einfach "verschwinden". Dies ist die Konstellation aus der in den meisten Fällen die Probleme durch aggressives Verhalten entstehen: Da Aggressionen nicht in passenden Situationen des Vogelalltags untergebracht werden können, müssen Kanäle gesucht werden um das angestaute (Aggressions-) Verhalten dennoch, zumindest von Zeit zu Zeit, zeigen zu können. Ein vollständiges, dauerhaftes Unterdrücken ist kaum möglich. Kann das Tier aber eben keine Feinde oder Konkurrenten angreifen, so bleiben ihm nur noch geringe andere Chancen, ein Objekt zu finden, das der Entladung angestauter Aggressionen dienen kann: der Mensch. Oft sind es nur einzelne Menschen, die dem Tier "unsympathisch" sind und die dann Attacken über sich ergehen lassen müssen. Manchmal kommt es aber auch vor, dass Vögel eine generelle, gesteigerte Aggressivität Menschen gegenüber an den Tag legen. Männliche (Blaustirn-) Amazonen sind hier ein gutes Beispiel. Handaufzuchtsvögel ein weiteres, da sie von Schlupf an die Nähe zum Menschen gewöhnt sind und keine - nicht einmal eine geringe- Fluchtdistanz besitzen. Bei männlichen alleingehaltenen Amazonen kommt noch erschwerend hinzu, dass sie ihren Sexualtrieb nicht ausleben können. Dies verstärkt angestaute Aggressionen- besonders in den Monaten der Fortpflanzungszeit - massiv. Die einzige Möglichkeit in solch krassen Fällen ist häufig, die Vögel in großräumigen Gehegen, ohne engen Kontakt zum Menschen unterzubringen.

Aggressionen bei Papageien als eine Seite ihres natürlichen Verhaltens sind also vollkommen normal, aggressive Papageien dagegen stellen ein Problem dar, welches in Menschenobhut auftritt und welchem schwer zu begegnen ist. Eine Maßnahme kann sein, die Tiere möglichst artgerecht zu halten, sie also vor allem nicht zu isolieren und ihnen genug Raum zum Ausleben ihres ganzen Verhaltensspektrums zu geben.

 

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