Haustiere haben eine oft Jahrtausende alte gemeinsame Geschichte mit dem Menschen. In dieser Zeit haben sich viele Arten extrem gut an das Leben bei und mit Menschen angepasst. Aus wilden, bestimmten Instinktmustern folgenden Wölfen sind kleine, Dosenfutter verzehrende Schoßhündchen geworden, aus unnahbaren Przewalskipferden entstanden diverse Pferderassen, die heute für die verschiedensten hochspezialisierten Sportarten wie Dressur und Springreiten eingesetzt werden und sich ganz auf ihren Reiter einstellen und mit ihm eine Art Symbiose eingehen.
Domestikation nennt man diesen Prozess, während dem aus Wildtieren Haustiere werden. Es handelt sich dabei durchaus um einen evolutiven Vorgang, wobei jedoch aufgrund verschiedener Faktoren, Veränderungen innerhalb kürzerer Zeiträume ablaufen, als dies unter natürlichen Umständen der Fall wäre. So brauchte man nur wenige tausend Jahre, um aus verschiedenen Wildtieren vollkommen an das Zusammenleben mit Menschen angepasste Haustiere zu erzielen. Wenn man so will, sind also in dieser aus evolutionsbiologischer Sicht extrem kurzer Zeit, neue Tierarten, eben Haustiere entstanden, die mit ihren wilden Ahnen häufig nicht mehr allzu viel gemein haben.
Und dennoch, trotz dieses hohen Grades an gegenseitiger Anpassung zwischen Mensch und Tier gibt es auch immer wieder Probleme zwischen beiden, nicht immer freilich sind hier die Tiere der Verursacher. Häufiger sogar ist es der Fall, dass die Probleme (aus menschlicher Perspektive) zwar vom Tier ausgehen, ihre Ursache haben sie aber dennoch meist in falschen Verhaltensweisen des Menschen, worauf die Tiere dann entsprechend unangenehm reagieren können. Bissige Hunde mögen hier als kurzes Beispiel angeführt sein, hier ist es in der Regel die Erziehung oder auch eine im Vorfeld fragliche Eigenschaften begünstigende Zuchtauswahl, welche zu teils erheblichen Vorkommnissen führt.
Andere Probleme, wie z.B. gesundheitliche Einschränkungen, die manche Haustierrassen aufweisen, wurden freilich ebenso durch Menschen verursacht. Nicht zuletzt ist es aber auch ein in Maßen natürlicher Vorgang, dass es im Zusammenleben zwischen (Haus-) Tieren und Menschen zu Differenzen kommen kann. Kommunikation über Artgrenzen hinweg funktioniert nie einwandfrei, vor allem dann nicht, wenn auf der einen der beiden Seiten der Mensch steht, der Tiere vermenschlicht und auf emotionale Art tierisches Verhalten interpretiert. Hier sind Missverständnisse vorprogrammiert.
Ein freilebender Kakadu in Australien
Nun ist man geneigt, dieses Verhalten der männlichen Vögel als unnatürlich darzustellen. Warum schließlich sollte es normal sein, dass ein Vogel sein eigenes Weibchen tötet? Er verringert damit nicht nur die Individuenzahl seiner Art, er bringt sich selbst auch noch um den eigenen Zuchterfolg, sprich, der Vogel verhindert selber, dass seine Gene erfolgreich in die nächste Generation weitergegeben werden können.
Das Verhalten des Gattenmords bei Kakadus macht also nicht nur aus emotional menschlicher, sondern auch aus biologischer Sicht keinen Sinn. Dies jedoch ist nur auf den ersten Blick der Fall. Denn es wäre fatal und zu kurz gegriffen, das Verhalten der Vögel einfach nur mit der Bewertung dieses einen, herausgelösten Aspekts interpretieren zu wollen. Ein Verständnis kann so, sozusagen aus einer Kreisbewegung der Selbstbezogenheit (Erklärung des Verhaltens durch alleinige Betrachtung des Verhaltens) nicht entstehen.
Anders ausgedrückt: will man unverständliches Verhalten erklären (ohne es direkt als „falsch“ und „krankhaft“ abzustempeln), hilft es nichts, nur das Verhalten zu betrachten und dieses dann mehr oder minder phantasievoll zu erklären und auf das Finden schlüssiger Interpretationen zu hoffen. Vielmehr muss eine andere Taktik angewendet werden. Das Verhalten wilder Tiere muss, so es nicht klar erkennbare Züge einer (auch psychischen) Erkrankung trägt, auf die Natur bezogen werden.
Schließlich zeigen undomestizierte Tiere im Gehege, meist jedenfalls, das Verhalten, das sie auch in der freien Wildbahn zeigen würden. Ein adäquates Verstehen des Verhaltenskomplexes ist also nur dann möglich, wenn man das fragliche Verhalten auf eine Situation in der Wildbahn überträgt. Im Falle aggressiver Kakadus hieße das, man müsste sich den Zweck von innerartlicher Aggression (nichts anderes stellt das Attackieren des eigenen Weibchens dar) in Bezug auf die Natur anschauen.
Und obwohl bisher genauere Untersuchungen noch ausstehen, ahnt man, dass das aggressive Verhalten männlicher Kakadus in der Natur durchaus eine wichtige Funktion erfüllen könnte.
Kakadus schließen sich in Australien außerhalb der Brutzeit zu großen Schwärmen zusammen und suchen in diesen Sozialverbänden nach Nahrung und Wasser. Dabei kommt dem Schwarm allein deshalb eine große Bedeutung zu, da er dem einzelnen Vogel einen effektiveren Schutz vor Feinden bietet, als dies eine kleine Gruppe oder gar das Dasein als Einzelvogel ermöglichen würde. In diesen Schwärmen gibt es immer einige Vögel, welche die Funktion eines Wachpostens erfüllen. Sie sitzen auf erhöhten Ästen und warnen die am Boden fressenden Artgenossen durch entsprechende Schreie, wenn sich Beutegreifer nähern. In der Brutzeit leben die Tiere allerdings in einer anderen Situation.
Die Paare sondern sich aus dem Schwarm ab und beginnen (allenfalls in kleinen, lockeren Kolonien) mit dem Brutgeschäft. Besetzen die einzelnen Paare einzelne Reviere und leben sie während der Brutzeit nicht mit hunderten anderer Artgenossen zusammen, hat das entsprechende Vorteile. Der Fortpflanzungserfolg ist größer, da die Paare ungestört sind und die in ihrem Revier vorhandenen Nahrungsressourcen ganz für sich und ihre Jungen nutzen können. Artgenossen, welche ja exakt dieselbe ökologische Nische besetzen und also die genau gleiche Nahrung verzehren, wären in dieser Zeit nur lästige Nahrungskonkurrenten.
Das bedeutet aber auch, das die Partner des einzelnen Paares ein viel größeres Aufgabenspektrum erfüllen müssen. Sie müssen die Eier ausbrüten (bei Kakadus brüten genau wie bei Nymphensittichen beide Eltern), später die Jungen füttern, zu diesem Zweck ständig auf Nahrungssuche für sich und ihre Küken sein und sie müssen ihr Revier vor Fressfeinden und Nahrungskonkurrenten verteidigen.
Aggressionsverhalten ist genau wie Sexualverhalten von verschiedenen Hormonen bzw. ihrer Konzentration im Organismus abhängig. Ist es nun in einer bestimmten Zeit (hier: Brutzeit) essentiell notwendig, ein hohes Aggressionspotenzial zur nachhaltigen Verteidigung eines Reviers an den Tag zu legen, so tritt die dafür notwendige Hormonkonzentration auch dann auf, wenn die Vögel in Fortpflanzungsstimmung kommen, eine Revierverteidigung aber nicht notwendig ist, da es keine Feinde gibt, die vertrieben werden müssen, wie das in Menschenobhut eben der Fall ist.
Was nun passiert, beschreibt die Biologie mit dem Begriff der Übersprungshandlung. Der Kakadu hat naturgemäß zur Brutzeit ein hohes Aggressionspotenzial, da er in freier Wildbahn seine Nestumgebung gegen Eindringlinge aller Art verteidigen müsste. Da er in einer Voliere keinen Eindringling vorfindet, sich aber eine Aggressionsbereitschaft entwickelt, die nach einem Reiz sucht um ausgelebt zu werden, nimmt der Vogel notgedrungen die einzige Möglichkeit wahr, sein angeborenes Verhalten anzubringen. Sein eigenes Weibchen wird so zum Ventil für seine Aggression, man könnte auch sagen, ein vorhandenes Verhaltensmuster hat sich die einzige auslösende Reizsituation gesucht, um ausgelebt werden zu können, die sich geboten hat.
Hier nun gibt es einige mehr oder weniger wirksame Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen. Nicht immer sind diese von Erfolg gekrönt, doch gibt es bereits einige Haltungen, die andere Ansätze als die paarweise Unterbringung der Vögel ausprobieren und auf diese Weise durchaus zu neuen Erkenntnissen gelangen.
Eine Alternative wäre es beispielsweise, dem Vogel anhand von in Nachbarvolieren (eine entsprechende Doppelverdrahtung muss alle Vögel vor gegenseitigen Bissen schützen) untergebrachten artgleichen Individuen zumindest teilweise die Möglichkeit zu geben, Aggressionen abzubauen ohne das eigene Weibchen zu behelligen. Ein anderer Weg (bei ausreichenden räumlichen Verhältnissen) ist es, die Tiere in Großvolieren in größeren, durchaus auch gemischtartlichen Gruppen zu halten. Für jedes Paar stellt man dann noch eine an die Großvoliere angeschlossene kleinere Voliere zur Verfügung, in die sich die Paare z.B. zum Brüten zurückziehen können und welche dann gegen Eindringlinge (und eben nicht den eigenen Paarpartner) verteidigt werden kann.
Doppelgelbkopfamazonenpaar in einer geräumigen Voliere
Anders ist der Fall bei gleicher Ausgangslage übrigens beispielsweise bei Amazonen gelagert. Die Vertreter der Gattung Amazona können während der Brutzeit ebenfalls extrem aggressiv werden. Doch greifen Amazonen in der Regel nicht den eigenen Partner an, sondern, ähnlich wie Aras, den menschlichen Pfleger. Die Situation ist noch am ehesten zu bewerkstelligen wenn die Tiere als Paar in Volieren gehalten werden.
Dann kann die Fütterung von außen erfolgen, zur Reinigung sperrt man die Tiere bei Haltung in kombinierten Volieren nach draußen oder reinigt für einige Woche das Gehege nur sporadisch, da Störungen während der Brutzeit ohnehin vorsichtig durchgeführt und möglichst kurz gehalten werden sollten. Unangenehmer ist die Lage, wenn es sich bei der aggressiven Amazone um ein eigentlich zahmes Einzeltier handelt, das im Wohnhaus mit Familienanschluss gehalten wird. Dann sucht sich der Vogel meist einen Menschen als „Partner“ aus, wird aber für alle anderen durch sein hohes Aggressionspotenzial zum unangenehmen Mitbewohner, dessen Attacken teils wirklich auch gefährlich werden können.
Einmal mehr zeigt sich an diesem Beispiel, dass es allemal besser ist, die Tiere artgerecht mit ihresgleichen in möglichst geräumigen Volieren unterzubringen. Nochmals etwas anders verhält es sich bei Verhaltensweisen, welche zwar ursprünglich natürlich waren, sich jedoch durch die eine oder andere Entwicklung unnatürlich gesteigert haben.
Hier ist guter Rat meist teuer und dauerhafte Abhilfe häufig nicht zu schaffen. Die besonders beiden besonders häufig auftretenden Varianten dieser Verhaltensunarten bei Papageien dürften nahezu jedem bekannt sein. Es handelt sich um das Rupfen und das übermäßige Schreien. Hier soll stellvertretend noch auf letzteres eingegangen werden. Vor allem Amazonen, aber auch Graupapageien, Kakadus und Aras neigen unter bestimmten Umständen dazu, sich zu Schreiern zu entwickeln.
Um es vorweg zu nehmen: hat der Vogel einmal begonnen zu schreien, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein erfolgreiches Abgewöhnen noch durchgeführt werden kann. Deshalb gilt auch hier, besser vorbeugen als heilen, sprich, wird bei der Haltung der Vögel kein grober Fehler gemacht, hat man oft Glück und Papageien fangen auch nach Jahren nicht an, übermäßig stark zu schreien. Das heißt natürlich nicht, dass Papageien leise sind. Zu bestimmten Zeiten (besonders morgens und spätnachmittags/ abends) benutzen Papageien ihre Stimmen teils ausgiebig.
Leise sind dann nur einige Arten, unter den Großpapageien fast keine. Hier gilt es, sich vor der Anschaffung genau zu informieren und nur Tiere anzuschaffen, deren Stimme für die jeweiligen Verhältnisse als noch erträglich eingestuft werden kann.
Leider ist es aber noch mehr als bei der zweiten Kardinalsunart der Vögel, dem Rupfen, keineswegs immer so, dass die Ursache, die zum Schreien geführt hat, leicht zu finden ist. Selbst wenn die Ursachenforschung erfolgreich sein sollte, ist eine Beseitigung dieser Ursache zwar sinnvoll, kommt aber doch meist zu spät wenn der Vogel sich das übermäßige Schreien bereits angewöhnt hat.
Doch zurück zur möglichen Vorbeugung. Es gilt besonders, jede Form von Langeweile erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das bedeutet vor allem, die Vögel sollten nicht allein gehalten werden, die Unterbringung sollte geräumig sein und sie sollten Reizen ihrer Umwelt ausgesetzt sein, im Idealfall also eine Außenvoliere aufsuchen können um so ihre Umgebung beobachten zu können.
Werden Vögel trotz idealer Bedingungen zu Schreiern hat das manchmal leider auch die Ursache, dass die Vögel bereits vor dem Kauf diese Unart zeigten. Oft ist das Schreien sogar der Grund dafür, Vögel abzugeben, nur wird dieses Manko vom Verkäufer dann aus guten Gründen verschwiegen.
Gerät man also an Vögel, die unzumutbar schreien, so sollte man versuchen, die Unart nicht weiter zu verstärken. Die Vögel sollten einen genauen Tagesrhythmus erhalten und, falls es Wohnungsvögel sind, nachts in einem Zimmer untergebracht werden, das völlig abgedunkelt werden kann.
Nur so hat man- auch im Hinblick auf Nachbarn- die Gewähr, dass man das Aufwachen der Vögel (und damit den Beginn des Konzerts) einigermaßen steuern kann. Handelt es sich um zahme Vögel, sollte man sie unter keinen Umständen durch eine Konditionierung in ihrem Schreien bestätigen und so verstärkt dazu animieren. Dies bedeutet, man darf ihnen während sie schreien auf keinen Fall Aufmerksamkeit schenken, soll nicht mit ihnen sprechen und ihnen keine Leckerbissen oder anderes Futter verabreichen.
Helfen diese „passiven“ Maßnahmen nicht, so sollte man bei Einzelvögeln dringend eine artgleiche Verpaarung probieren auch wenn dann, das soll nicht verschwiegen werden, die Chance besteht, dass man am Ende zwei schreiende Vögel besitzt.
Was ansonsten noch helfen kann, ist ein Ortswechsel. Werden die Vögel in einem anderen Zimmer (in welchem sie z.B. keine vorbeigehenden Hunde mehr sehen können) untergebracht, hat man manchmal Glück und die ersehnte „Beinah-Ruhe“ kehrt doch nochmals ein.