| Inhatsverzeichnis - Ausgabe
27 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Der Herr der Papageien | 3. Coco antwortet |
Der Herr der Papageien
Hallo! Ja, ich bin´s, der Herr der Papageien. Bürgerlich auch auf den Namen Bernd hörend. Was ich hier mache? Diesen Artikel schreiben natürlich. Nachdem ich nun im August 2000 5 Tage und 5 Nächte zusammen mit "Coco" und 12 Gesellen im Papageienkäfig des Aachener Tierparks verbracht habe, liegt es ziemlich nahe, einen Erfahrungsbericht zum Besten zu geben (so dachten sich jedenfalls die Herausgeber dieser Zeitschrift). Coco war in jeder Hinsicht das absolute High-Light im Käfig (dazu unten mehr). Ich frage mich natürlich, ob der Graupapagei seinen Namen von der Zeitschrift hat oder es tatsächlich andersherum richtig ist,. Fragen Sie mal Herrn Pfeiffer (mit 3 "f", wie er mir ausdrücklich mitteilte)!
Ein gefiederter Freund hilft beim bauen des Papageienspielzeuges
Aber wieso komme ich dazu, im Tierpark, noch dazu im Papageienkäfig, zu schlafen? Habe ich nichts besseres vor?
Nein! (Zumindestens nichts, was ich nicht auch im Käfig hätte tun können, z.B. Lernen).
Tatsache war (und ist immer noch), daß ich z.Z. mitten in meinen Abschlußprüfungen stecke (Geographie-, Geologie-, Biologie-Studium); Zeit für Urlaub bleibt da keine.
Nun war auch noch der Sommer ziemlich ins Wasser gefallen und zudem befindet sich mein Fahrrad aus unerklärlichen Gründen in Dauerreparatur dieses Jahr, mit der Folge, daß entspannende Ausflüge aus meinem Lern-Zimmer heraus fast immer nur bis zur Küche reichten und von dort wieder zurück. Dies hatte nicht nur Folgen für meine Figur, sondern auch auf meine geistige, mentale, psychologische (oder wie auch man das bezeichnet) Verfassung, als auf einmal die Rettung nahte in Form eines Aufrufes in den Aachener Nachrichten: "Der Herr der Papageien wird gesucht"
Geboten wurden 120m² in bester Lage, mit Seeblick und Vollpension. Gefordert waren: Abstinenz von - Zigaretten (stinken sowieso nur), - Alkohol (man soll ja nicht volltrunken versuchen, sich durch die Stäbe zu pressen), - Sport (siehe Küche!), - Frauen (männlicher Student fragt sich, was das ist), sowie die Bereitschaft, sich 120 Stunden lang im Internet zu präsentieren.
Ach ja: der Käfig durfte natürlich in dieser Zeit nicht verlassen werden! Au ja! Tapetenwechsel. 5 Tage lang die poster-übersäte Wand meines Studentenzimmers mit schwedischen Gardinen tauschen. Entspannung pur. Urlaub mit Vollpension. Herrlich!
Also: ran an den (Hochschul-) Computer und eine Bewerbungs-Mail geschickt.
Ein paar Tage später sollte ich mich dann persönlich beim Tierparkleiter, Wolfram Graf-Rudolph, vorstellen kommen. Auf dem Weg dahin brach dann an meinem Fahrrad (gerade erst wieder 2 Tage aus der Werkstatt zurück) die Sattelstützen des Rahmens. Frust! aber wenigstens, wurde ich zum eigentlichen Casting eingeladen. Dieses fand dann ein paar Tage später statt. Presse war schon zahlreich vorhanden. Mann, war ich nervös. Aber: Ich hab´s geschafft. Ich bin genommen worden. Ich darf rein.
Ich bin d´rin. Und wie!. AN, Antenne AC, WDR 4-Lokalzeit; alle haben fleißig gefilmt, interviewt und Photos gemacht. Am nächsten Tag gab´s sogar einen Beitrag bei RTL und selbst in der BILD stand ein Artikel. Meine Eltern waren natürlich gekommen, meine Schwägerin mit meinem Neffen und ihrer Tante, der Ralf Sistermann (ich glaube, den kennen Sie alle), Jochen Schulte von der Alemannia, der Vorsitzender der Tierpark AG, der Vorsitzende des Vereins der Tierparkfreunde, die Sponsoren der Chemie-Camping-Toilette, Wolfgang vom Restaurant Drimborner Wäldchen (von ihm bekam ich die Vollpension) und der Vorsitzende vom Öcher-Platt-Verein.
Und alle sind nur wegen mir gekommen. (Stolz schwillt die Brust.) Für die Presse sollte ich selbstverständlich hübsch fotogen den Papageien Nüsse füttern. Dummerweise hat mal niemand daran gedacht mir vorher zu sagen, daß dieses nicht in der Weise zu erfolgen hat wie bei den Schafen und Ziegen im Tierpark (Futter in die Handfläche, hinreichen). Autsch! Da war es geschehen. Und die Blutblase hatte ich noch die restlichen 5 Tage und war als Papagei-Amateur geoutet.
Nach etwa 4 Stunden kehrte zum ersten mal etwas Ruhe ein und ich konnte endlich (um 15.00 Uhr!) mein Mittagessen genießen (Lecker!). Dann kam aber sofort die Anweisung, noch bis 16.00 Uhr einen Tagebuchbericht zu schreiben für die AN. War wohl nix mit Ruhe.
Den Bericht las ich dann am nächsten Tag zum Frühstück. Toller Zustellservice! (vom Wolfram mit den Brötchen und dem Kaffe gebracht). Mein erster eigener Zeitungsartikel! Und sogar gut!. Die Redakteure von der AN waren ziemlich angetan und boten mir an freier Mitarbeiter zu werden. Coco wollte mitlesen und sprang mir deshalb auf die Schulter. Dann erkannte ich aber den wahren Grund: er wollte gekrault werden.
Coco, einer "meiner" 4 Graupapageien, war übrigens der einzige, der schon einen Namen hatte. Schade fand ich, daß die anderen 12 ein namenlosen Dasein fristeten, und so begann ich pö a pö weitere Namen zu verteilen, die ich mit den Tieren in Verbindung brachte.
Der erste war "Scream 4", das war der Dunkelrote Ara, denn er war derjenige gewesen, der den ersten lauten Schrei von sich gab als ich einzog. "Jakob" war auch schnell gefunden. Als nämlich der Radioreporter am Vormittag des zweiten Tages zum Interview bat, hatte ich mir gerade erst einen frischen Kaffee eingeschüttet und stand so am Gitter gelehnt. Die Gelbwangen-Amazone sah mich, flog zu mir ans Gitter, hüpfte sodann auf meine Hand und bevor ich reagieren konnte, war er mit dem Schnabel im Kaffee. Den Pfleger, der mir den Kaffee gemacht hatte, habe ich deshalb nach der Marke gefragt und deshalb heißt die Amazone jetzt eben Jakob!
Den anderen 10 Papageien gab ich dann noch folgende Namen:
- Müller (kurz für Müllers Amazone) Sleeping Beauty (ein Hellroter Ara, der immer so aussah, als ob er schliefe)
- Helmut (wie mein Großonkel: schon kahl am Kopf und faltig; auch ein Hellroter Ara)
- Johnny Lonesome (der 3. Hellrote Ara, ein aggressiver Einzelgänger)
- Rosi (ein Molukken-Kakadu; am Tag nach der Namengebung erfuhr ich dann von Herrn Pfeiffer, daß Rosi ein Männchen ist)
- Shorty (ein Graupapagei mit abgebrochenem Vorderschnabel)
- Martin (eine Venezuelaamazone; mein Freund Martin war kurz vorher in diesem Land)
- Blueprint (Blaustirn-Amazone)
- Cobra (auch ein Graupapagei, mit brillenähnlicher Gesichtszeichnung)
- UppsalaOs (eine geomorpholgische Struktur aus ehemaligen vergletscherten Gebieten - war ich gerade am Lernen und ein besserer Name fiel mir auch nicht für den letzten Graupapagei ein)
Am ersten Tag waren natürlich alle Papageien erstmal ziemlich erschrocken über das unbekannte neue Etwas da im Käfig.
Am zweiten Tag waren sie alle sehr neugierig. Es hatte sich wohl unter ihnen herumgesprochen, daß ich wohl etwas länger bleiben würde, und deshalb fingen sie an mich auszukundschaften. Leider war dann das Interesse an mir bis zum 5. Tag (außer bei Coco) wieder ziemlich verflogen. Ich war jetzt akzeptiert als neuer Insasse, aber die große Neugier war weg. (Das mit dem Öcher-Platt-Beibringen hat dann auch nicht mehr so recht geklappt.). Coco jedoch wurde immer anhänglicher: einmal saß er morgens neben mir im Zelt wie ich aufwachte (er wartete selbstverständlich auf seine Streicheleinheiten); und füttern wollte er mich auch immer (ich hab´ aber dankend abgelehnt - vorverdauter Körnerbrei ist dann doch nicht meine Sache).
Dafür habe ich um so lieber die zahlreichen Fütterversuche der Tierpark-Besucher angenommen ("1,0 Homo sapiens. Bitte nur mit Kuchen füttern"): Möhren, Dinkelstangen, Maoam, Eis, Apfelstückchen und (trara) Kindergeburtstagskuchen mit grünen Smartiers d´rauf (Paul sei dank, der an diesem Tage 7 wurde und seinen Geburtstag im Tierpark feiern wollte).
Übrigens: die Besucher waren klasse. Viele haben viele Fragen gestellt (z.B. was ich im Käfig mache, wofür das, ob ich nachts schlafen könnte). Erwachsene (alle!) mußten mich darauf hinweisen, daß ich ja außerordentliches Glück mit dem Wetter hätte (ja ja, scheint einmal im Jahr die Sonne für 5 Tage hintereinander und ich kann nicht ´raus!). Dagegen meinte ein Kind gewitzt, warum ich denn 2 Stühle im Käfig habe (mal ehrlich, das weiß ich bis heute auch nicht). Und die Bedienungsanleitung gegen Langeweile kenn´ ich jetzt auch: einfach in ein Bakterium verwandeln und rauskriechen. Klingt doch wirklich einfach. Aber gegen das Rauskriechen steht ja wieder das anfangs erwähnte Problem mit der Küche. Hilft nix: da muß ich durch (nicht durch´s Gitter!).
Hab´ ich auch geschafft, hat sogar Spaß gemacht zwischen den Sonnenaufgängen über der taugetränkten Wiese des Lama-Geheges und den Sonnenuntergängen über dem Seeblick (jaja, der Seeblick). Würde ich auch wieder machen (vorausgesetzt: jetzt kommt die Geschichte mit dem Wetter wieder!)
Bernd Fischer
Nachtrag: Coco erkennt mich immer noch. Aber je länger die 5 Tage zurückliegen, desto schwächer wird wohl seine Erinnerung.
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