Papageienhilfe Aachen e.V.
63. Ausgabe 2/12
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 63 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Jacko, der Graupapagei | 3. Kleiner Vogel-ganz bunt - Die vielfältigen Farben des Wellensittichs

Kleiner Vogel-ganz bunt
Die vielfältigen Farben des Wellensittichs

In der Sprachwissenschaft gibt es Arbeiten darüber, dass Menschen mit bestimmten Vokabeln einer Sprache bestimmte Bilder verbinden. Diese Bilder sind kulturell unterschiedlich und können sich auch zwischen verschiedenen Nationen unterscheiden. Das heißt, fällt in einem Gespräch beispielsweise das Wort „Baum“, so gibt es eine verbildlichte Vorstellung dieses Wortes, welche in den Köpfen der Beteiligten auftaucht.  Gleiches gilt natürlich auch für viele andere Begriffe, so freilich auch für den Begriff „Vogel“. Auch beim Vogel stellt sich jeder einen Vogel vor, oder besser: es denkt sich jeder das Durchschnittsbild verschiedener Vögel, die er aus seiner Umgebung kennt. In Mitteleuropa nun denkt man eher, Unterschiede gibt es freilich, an Vögel wie Amseln, (Haus-)Sperlinge oder Rotkehlchen. Dies sind eben jene, die häufig vorkommen, die allgegenwärtig sind und eng mit unserer Kultur verbunden sind.

Die vielfältigen Farben des WellensittichsLautet der Begriff, zu dem man sich ein entsprechendes Bild (automatisch) vorstellt aber „Stubenvogel“ oder „Heimvogel“oder ähnlich, stellt sich wohl niemand mehr einen Buchfink oder einen Spatz vor, schlicht weil diese Tiere (heute) nicht mehr als klassische Heimvögel gehalten werden. Stattdessen mag man sich einen (gelben) Kanarienvogel vorstellen, oder ,ver-mutlich noch häufiger, einen wahrscheinlich grünen, blauen oder auch gelben Wellensittich.

Nun haben Wellensittiche ihre Heimat in Australien. Eigentlich unglaublich vermag vor diesem Hintergrund die Tatsache zu erscheinen, dass sich Mitteleuropäer dennoch eine solche australische Vogelart für ihre Allgemeinvorstellung eines Heimvogels denken. Doch nichts anderes ist der Fall.

Diese Tatsache zeigt eindrucksvoll, welchen Siegeszug die kleinen, ehemals ausschließlich grün gefärbten Wellensittiche während der letzten 150 Jahre vor allem in Europa aber auch in allen anderen Teilen der Welt vollzogen haben. Als die ersten „gewellten“ Sittiche nach Europa kamen, stellten sie eine Sensation für die europäische Bevölkerung dar.

Damals kam nur ein Bruchteil der in Australien gefangenen Vögel hier lebend an, schließlich erfolgte der strapaziöse Transport mit Schiffen und dauerte mehrere Monate. Bald schon gelang noch im 19. Jahrhundert die Zucht der Vögel und einige Zeit später entstanden vor allem in Frankreich riesige Zuchtfarmen, die mehrere hunderttausend Wellensittiche beherbergten. Und dann geschah etwas, was die gesamte Geschichte des Wellensittichs in Menschenhand maßgeblich prägen sollte und was die Voraussetzung war für seinen Siegeszug, der bis heute von keiner anderen Ziervogelart auch nur annähernd erreicht werden konnte: es kam zu den ersten Farbmutationen.

Die ersten blauen Vögel und, um einiges später, der erste gelbe Wellensittich erregten ein derartiges Aufsehen, dass ein neuerlicher enormer Bekanntheitsschub der Vögel damit einherging. Diese frühen Mutationen erzielten für damalige Verhältnisse horrende Summen, wie überhaupt lange Zeit Wellensittiche Vögel waren, deren Besitz den Besserbetuchten vorbehalten blieb. Dazu trug eine andere Eigenschaft, nämlich die Fähigkeit zumindest einiger Wellensittiche, die menschliche Sprache zu imitieren, noch weiter bei. Farbmutationen sind neben ihrer offensichtlichen phänotypischen Besonderheit dabei vor allem eines: Zeichen einer beginnenden Domestikation.

Der Wellensittich hatte Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen, ein Haustier zu werden. Und das, nämlich ein Haustier, ist er inzwischen geworden und bis heute geblieben. Unsere Wellensittiche, wie wir sie in Europa kennen, haben mit ihren in Australien wildlebenden Verwandten nur noch wenig gemein. Fast könnte man sagen, es handelt sich um zwei verschiedene Vogelarten. Diese Unterschiede sind zahlreich und auf vielen Ebenen vorhanden, aber das offensichtlichste Unterscheidungsmerkmal ist und bleibt die Färbung und dieses Feld ist, sicher nicht nur für an Vererbung interessierte Menschen, das mit Abstand faszinierendste.

Auch wenn Arten wie Rosenköpfchen, Pennantsittiche und vor allem Halsband- oder Kleine Alexandersittiche in den letzten Jahren ebenfalls eine Fülle von Mutationen entwickelt haben, dürfte ihre Farbpalette nicht völlig an die umfassende Vielfalt heranreichen, mit der die Wellensittiche aufwarten können.

wellensitticheEs dürfte heute so viele Mutationen geben, dass, zählt man alle Kombinationen von Primärmutationen mit, niemand mehr sagen kann, wie viele es wirklich sind.

Nur wenige Beispiele: der Opalinfaktor bewirkt, dass die Wellenzeichnung, die ursprünglich die gesamte Rückseite des Wellensittichs bedeckte, reduziert wird. Es ist also eigentlich keine Farbmutation, sondern eine Mutation der Zeichnung. Vögel mit diesem Opalinfaktor zeigen am Kopf und Nacken sowie in einem daran anschließenden V-förmigen Bereich auf dem Rücken keine, bzw. eine nur noch reduzierte Wellenzeichnung. Zählt man nun alle Mutationen der Wellensittiche zusammen, so verdoppelt sich die Anzahl an Farbschlägen schon dadurch, dass es sie einmal mit normaler Wellenszeichnung und einmal mit reduzierter Wellenzeichnung (also in opalin) geben kann.

Der Zimtfaktor wiederum verändert nicht die Farbe oder Zeichnung der Vögel, sondern den Farbton. Ein grüner Vogel mit Zimtfaktor bleibt also zwar sozusagen grün, sein Grünton spielt jedoch dann in ein zimtbraunes Grün hinein. Man kann sich also nun schon die nächste Verdoppelung der Mutationszahl vorstellen: alle Mutationen mit Wellenzeichnung einmal mit und einmal ohne Zimtfaktor, das gleiche gilt für die Opalinvögel. Allein mit diesen wenigen Faktoren werden also aus 50 Primärmutationen schon 200 denkbare Farbvarianten.

Diese Reihe ließe sich mit weiteren Vererbungsfaktoren, wie zum Beispiel dem Gelbgesicht (hier gibt es zwei verschiedene Gelbgesichtsmutationen), dem Scheckfaktor (wobei es sogar 3 verschiedene Scheckmutationen gibt), den Texas Clearbodies, den Spangles, den Hellflügeln, Dunkelfaktoren oder dem Violettfaktor und vielen anderen mehr nahezu unendlich fortsetzen. Es dürfte klar sein, dass die Zucht unglaublich bunter Vögel möglich ist, die eine Vielzahl von Farb- und Zeichnungsmutationen kombinieren. So kann es z.B. einen Australischen Schecken der Blaureihe als Spangle mit Gelbgesicht, in Zimtopalin mit Violettfaktor geben, der womöglich auch noch ein Hellflügel ist, was phänotypisch aber keinen Unterschied mehr machen dürfte.

Überhaupt ist es so, dass man einem Vogel nur eine gewisse Anzahl von kombinierten Primärmutationen ansieht, wirft man zuviel durcheinander, sieht man es dem Vogel entweder gar nicht mehr an, oder es macht eben optisch keinen Unterschied, da verschiedene Faktoren teils ähnliche Farbveränderungen hervorrufen. Übrigens haben Wellensittiche nicht nur Farb-/Zeichnungsmutationen hervorgebracht, es gibt längst auch Wellensittiche mit Haube. Nicht nötig zu sagen, dass sich die möglichen Mutationskombinationen damit einmal mehr verdoppeln (alle Farben einmal mit und einmal ohne Haube...).

Dem Wesen des Wellensittichs hat dies alles keinen Abbruch getan und den meisten Vögeln ist gleichgültig wie sie oder ihre Partner aussehen auch wenn es in Einzelfällen tatsächlich Präferenzen für die eine oder gegen eine bestimmte andere Farbrichtung geben kann, dies vor allem dann, wenn Albinos oder Lutinos im Spiel sind. Der Grund dafür ist, dass diese Vögel gar keine arteigenen Zeichnungsmerkmale mehr aufweisen und es daher manchmal Probleme bei der Verpaarung geben kann. Doch alles in allem ist und bleibt der Wellensittich trotz und wegen seiner Farbvielfalt was er schon seit gut einhundert Jahren ist: einer der beliebtesten, bekanntesten und liebenswürdigsten Heimvögel, die es gibt.

Die vielfältigen Farben des WellensittichsBesuchen Sie die Wellensittiche in der begehbaren Freivoliere des Aachener Tierparks, dort entstanden unsere Aufnahmen.
Lassen Sie sich vom liebenswürdigen Wesen der bunten Wellensittiche verzaubern und mit ein wenig Glück landen sie vielleicht auf der Hand.

 

Mehr Infos gibt es unter www.euregiozoo.de

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