Papageienhilfe Aachen e.V.
47. Ausgabe 3/06
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 47 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde
| 2. Hygienemaßnahmen in der Vogelhaltung | 3. Der Nymphensittich |

Der Nymphensittich

Der NymphensittichNymphensittiche (Nymphicus hollandicus) gehören neben den Wellensittichen (Melopsittacus undulatus) zu den bekanntesten Papageien in Menschenobhut. Sie wurden bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals lebend nach Europa eingeführt und schon bald darauf erfolgreich vermehrt. Kurze Zeit später gab es einen gesicherten Bestand in Menschenhand, so dass auf Wildentnahmen verzichtet werden konnte. Heute wäre das Fangen und Importieren von wilden Nymphensittichen auch gar nicht mehr möglich, jedenfalls nicht auf legalem Weg, da Australien bereits 1959 ein Ausfuhrverbot für alle einheimischen Tiere und Pflanzen erlassen hat. Der Bestand an Nymphensittichen in Käfigen und Volieren außerhalb Australiens hatte sich zu dieser Zeit aber schon so gut entwickelt, dass man nicht nur beruhigt feststellen konnte eine (auch und gerade genetisch) ausreichend große Variabilität zu haben, sondern darüber hinaus ging die Zucht auch so gut und effektiv voran, dass erste Mutationsformen bekannt wurden und somit erste Domestikationserscheinung erkennbar wurden.

Die ersten gelben Nymphensittiche (Lutinos) z.B. erregten besonders großes Aufsehen. Wenn man an die eher einfach gefärbten naturfarbenen Vögel denkt, deren auffälligste Merkmale der weiße Flügelstreifen, der zumindest im männlichen Geschlecht intensiv zitronengelbe Kopf und die orangen Wangenflecken sind, erscheinen die Tiere bei ansonst zwar schönen grauen Gefiedertönen schlicht.  Man mag sich vielleicht in etwa vorstellen können, wie rein gelbe bzw. teilweise fast weiße Nymphensittiche gewirkt haben müssen.

Entsprechend der enormen Begeisterung stiegen auch die Preise für diese und andere Farbnymphen in für heutige Verhältnisse unvorstellbare Höhen: für Lutinos und später auch für Geperlte wurden in den USA Anfang der sechziger Jahre teils fünfstellige Summen bezahlt! Demnach war zu dieser Zeit die Haltung und Zucht der nicht wildfarbenen Nymphensittiche nur einem kleinen Halterkreis möglich.

Da die Nymphensittiche sich jedoch weiterhin gut vermehrten, fielen die Preise recht schnell wieder. Dies war dann für einige weniger gut situierte Züchter eine bittere Entwicklung, da sie mitunter lange sparen mußten, um sich einen Lutino leisten zu können und dann anschließend das Geld praktisch 'verloren', da sie für ihre Jungtiere dann 'nur noch' normale Preise bekamen. Bei den schon erwähnten geperlten Nymphensittichen tat sich eine andere Besonderheit auf, die die Preise fallen ließ und den schönen Tieren einen etwas schalen Beigeschmack bescherte: es kursierten bald nach dem Auftreten der ersten Vögel dieser Mutation Gerüchte, wonach geperlte Vögel nicht geperlt blieben, sondern irgendwann wildfarben wurden. Man witterte Betrug und bei den hohen Summen die auch für die geperlte Mutationsform bezahlt wurden, kann man sich den Unmut einiger Züchter vorstellen, wenn tatsächlich der Fall eintrat, dass ein ehemals geperlter Vogel immer dunkler und dunkler wurde, seine Zeichnung zusehends verlor und schließlich, nach einigen Monaten, nicht mehr von ganz gewöhnlichen wildfarbenen Vögeln zu unterscheiden war.

Aus Angst vor weiteren Konsequenzen ging man leider lange nicht offen um mit diesen Gerüchten. Denn es ist wirklich so; und das ist absolut einmalig in der Sittichzucht, dass ein Teil der geperlten Jungvögel mit der Mauser ins Adultgefieder seine Gefiederzeichnug verliert und nach der Mauser normal wildfarben, d.h. grau aussieht. Man kann auch genau sagen, welcher Teil der Jungtiere im Alter von etwa neun bis zehn Monaten mehr oder weniger grau sein wird: es sind die männlichen, und zwar bisher praktisch ohne Ausnahme alle männlichen geperlten Nymphensittiche!

Das bedeutet, alle jungen geperlten Nymphensittiche kommen zwar so gezeichnet aus dem Nistkasten, nur die Weibchen aber bleiben zeitlebens phänotypisch geperlt. Alle Männchen sind phänotypisch als adulte Vögel nicht mehr von normal grauen zu unterscheiden, genotypisch aber sehr wohl. Graue männliche Nymphensittiche, die als Junge geperlt waren, vererben zu 100% wieder diese Farbe weiter.

Ziehen sie also mit einem geperlten Weibchen Junge auf, so sind alle Nachkommen wieder geperlt, aber nur die Töchter behalten die Farbe sichtbar. Man weiß bis heute nicht genau, welche Ursache diesem einmaligen und sehr interessanten Phänomen zugrunde liegt. Es gibt aber eine gewisse Parallele zur Wildfarbe: auch hier kommen (wie bei vielen anderen Vogelarten ebenfalls) alle Jungtiere gleich gefärbt aus der Nisthöhle.

Männchen wie Weibchen sehen als junge Vögel noch schlichter grau aus als später im adulten Federkleid, beide Geschlechter ähneln damit in etwa dem Aussehen der erwachsenen Weibchen. Den Männchen fehlt der gelbe Kopf und die orangen Wangenflecken sind allenfalls angedeutet. Man vermutet nun, dass es bei der geperlten Mutation ähnlich ist. Nach dieser Annahme also wäre die geperlte Zeichnung - wie die schlichtere Färbung von Weibchen und Jungtieren beiderlei Geschlechts der Wildform- ebenfalls allein den Weibchen und juvenilen Tieren dieser Mutation vorbehalten.

Die Männchen färben demnach konsequent, wie ihre von vorneherein wildfarbenen Artgenossen, in das intensivere, aber eben graue wildfarbene Adultgefieder um und verlieren ihre geperlte Jugendzeichnung völlig. Dass sich eine Mutation wie die Wildfarbe verhält und nur Jungtieren und Weibchen vorbehalten ist, ist äußerst interessant und ist in so krasser Ausprägung momentan kein zweites mal zu beobachten. Besonders reizvoll wäre es weiterhin, herauszufinden, ob es, z.B. durch die Zucht mit besonders hell gezeichneten Tieren, doch irgendwann möglich sein wird, auch erwachsene geperlte Männchen zu erzielen.

Bisher jedenfalls sind alle Versuche in diese Richtung nicht von durchschlagendem Erfolg gewesen, auch wenn es einzelne Männchen gibt, die einen kleinen Teil ihrer Zeichnung über mehrere Jahre behalten.

Dieser kleine Exkurs in die Thematik Mutationen beim Nymphensittich macht aber zumindest deutlich, dass dieser Vogel viele Seiten hat und nicht nur als zahmer Hausgenosse interessannt sein kann. Freilich ist auch zu bedenken, ob die Mutationszucht in ihrer heutigen extremen Ausprägung dem Vogel in jedem Fall dienlich ist und ob wirklich alles verwirklicht werden sollte was machbar ist. Sieht man z.B. einen Zimt-perl-gescheckten-Weißkopf-Nymphensittich, so könnte man evtl. auch die Auffassung vertreten, dass der ganz normal wildfarben gefärbte Vogel zwar schlichter, jedoch trotzdem einfach schöner weil natürlich ist. Jeder muss sich hier seine eigene Meinung bilden und vermutlich ist, wie sooft, ein Mittelweg die beste Lösung.

Aber egal ob man sich für wildfarbene Nymphensittiche oder für Mutationsvögel entscheidet, man wird sicher viel Spass an dieser interessanten Vogelart haben und wenn man sich Zeit nimmt, die Möglichkeit haben, immer neue Verhaltensweisen kennenzulernen.

So ist der Nymphensittich z.B. der einzige Sittich, bei dem beide Elternteile brüten! Bei allen anderen Sitticharten wird das Brutgeschäft ausschließlich durch das Weibchen besorgt. Er hat diesen Verhaltensaspekt wie übrigens auch das äußere Merkmal der Federhaube, mit den Kakadus gemein. Die Systematiker sind sich dann auch bis heute nicht völlig einig darüber, wie der Nymphnesittich nun letztendlich taxonomisch einzuordnen sei. Gehört er zu den echten Kakadus? Stellt er das Bindeglied zwischen Kakadus und Plattschweifsittichen dar?

Vielleicht werden in nächster Zeit weitere Untersuchungen (z.B. der DNA) hier für größerer Klarheit sorgen. Diese Fragen müssen den Privathalter dieser schönen Vögel natürlich nicht unbedingt weiter beschäftigen auch wenn dies für den Interessierten ein weiteres ergiebiges Feld jenseits der unmittelbaren Vogelhaltung darstellt. Aber auch für den "normalen" Halter sind Nymphensittich dankbare und empfehlenswerte Pfleglinge. So ist der Kakadu des kleinen Mannes (wie man die Vögel früher gelegentlich nannte) einer der wenigen australischen Sittiche die man nicht nur in größeren Gruppen halten, sondern ebenso im Schwarm zur Fortpflanzung bringen kann.

Hier sollte man aber peinlich genau darauf achten, dass nicht nur genug Platz und genügend viele Nistmöglichkeiten angeboten werden (man rechnet Drittel mehr Nistkästen als Paare vorhanden sind; die Nistkästen sollten einen Abstand von einem Meter nicht wesentlich unterschreiten).

Man sollte vor allem keine einzelnen, unverpaarten Vögel im Schwarm belassen. Diese würden nur Unruhe erzeugen und den Brutablauf stören. Radkte (1992) empfiehlt, möchte man die Koloniebrut versuchen, eine unbedingt ungerade Anzahl von Paaren in den Flugraum zu bringen, da bei nur zwei Pärchen die Chance groß ist, dass Streit entsteht, der dann auch nicht durch weitere anwesende Vögel entzerrt werden kann. Weiter sollte man beachten, die Tiere alle gleichzeitig einzusetzen, damit alle die gleiche Ausgangssituation vorfinden und kein Individuum einen Heimvorteil geltend machen kann. Es sollten entweder alle Tiere bereits fest verpaart sein, oder die Gruppe besteht aus unverpaarten Jungtieren, die sich dann den ihnen jeweils zusagenden Partner aussuchen können. Die Methode, Papageien in einem Schwarm mit (möglichst natürlich unverwandten)  Artgenossen die Möglichkeit der freien Partnerwahl zu gewähren ist übrigens, ganz unabhängig davon ob man züchten möchte oder nicht, der erfolgversprechendste Ansatz, seine Vögel zu verpaaren.

Paare, die sich als Jungtiere frei selbst finden konnten, halten in aller Regel ein Leben lang problemlos zusammen während es bei zwangsverpaarten Vögeln doch immer wieder, auch nach längerer Zeit noch zu Problemen kommen kann. Ganz allgemein sollte man bei der artgerechten Haltung von Vögeln unbedingt beachten, wie die jeweilige Art in der Natur lebt, wo sie vorkommt und was für Lebensräume sie besiedelt. Im Falle unserer Nymphensittiche heißt das besonders, den Tieren genügend Flugraum zu bieten. Nymphensittiche kommen in weiten Teilen Australiens vor, können sich aber aufgrund des meist ariden oder zumindest semi-ariden Klimas nicht erlauben, Standvögel zu sein. Die Tiere ziehen also nomadisierend umher. Anders wäre eine ausreichende Versorgung mit Futter und Wasser vor allem während der Trockenzeiten nicht zu gewährleisten. Als Nomaden können sie pfeilschnell und ausdauernd fliegen, eine Eigenschaft, der man in Menschenobhut unbedingt Rechnung tragen sollte. Als ideale Haltungsform für Nymphen kann demnach auch die Freivoliere mit geschütztem Innenbereich betrachtet werden. Die Vögel können den vorhandenen Flugram besser nutzen, wenn die Voliere in die Länge (statt z.B. in die Höhe) gebaut wird. 3x1 Meter wäre also ein passenderes Maß als 2x2 Meter. Ist die Behausung groß genug, so können die Nymphensittiche mit diversen anderen Vögeln vergesellschaftet werden. Vorraussetzung hierbei ist selbstverständlich, dass die anderen Insassen ihrerseits friedlich sind. Diese fast absolute Friedfertigkeit (es gibt natürlich auch wenige Ausnahmen, deshalb ist vor allem anfänglich ein intensives Beobachten der Tiere nötig) der Nymphensittiche ist ein weiterer angenehmer Aspekt bei der Haltung dieser Vogelart.

Viele andere Sittiche lassen sich nämlich auch in großen Volieren zumindest während der Brutzeit nur paarweise halten. Dagegen läßt sich Nymphicus hollandicus sogar mit den kleinen Prachtfinken zusammen halten ohne diese nennenswert zu behelligen. Das macht ihn natürlich zu einem geeigneten Vogel für große, bunt zusammengewürfelte Gemeinschaftsvolieren. Letztendlich ist die Ernährung der uns anvertrauten Tiere noch ein wichtiger Aspekt, wobei Nymphensittiche auch hier keine unerfüllbaren Forderungen stellen. Ein gutes Mischfutter mit nicht allzuvielen fetthaltigen Sämereien (Nymphensittiche neigen- besonders bei Käfighaltung- zu Fettleibigkeit), das ganze auch gekeimt, bildet die Grundlage der Ernährung. Besonders im Sommer sollten die Vögel täglich frisches Grünfutter erhalten. Neben halbreifen Gräsern kann man seinen Pfleglingen auch verschiedene Ampferarten, Löwenzahn, Vogelmiere usw. anbieten. Man sollte möglichst viel probieren und den Speiseplan so reichhaltig wie möglich gestalten. Auch Grit und Mineralien sowie (im Sommer 2x) täglich frisches Trinkwasser dürfen nicht vergessen werden und runden den Menüplan ab. Beachtet man diese grundsätzlichen Aspekte und vermeidet darüber hinaus noch die Einzelhaltung dieser geselligen Vögel, so wird man sicherlich lange Freude am vielseitigen und interessanten Kakadu des kleinen Mannes haben.

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