Papageienhilfe Aachen e.V.
24. Ausgabe 1/00
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 24 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Ein Leserbrief | 3. Artgerechte Haltung, Wirklichkeit oder Utopie? |

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Artgerechte Haltung, Wirklichkeit oder Utopie?

Besonders bei der Erfüllung dieser, genetisch fixierten und damit unabdinglich vorhandenen Bedürfnisse, hapert es immer wieder. Aber wie sehen diese Bedürfnisse aus, wie können sie erfüllt werden, ist dies überhaupt praktikabel. Gegner der Wildtierhaltung leugnen dies. Besonders der Punkt der Bewegungsfreiheit wird hier immer wieder als Gegenargument eingebracht. Auch zu diesem Punkt gibt das Tierschutzgesetz Auskunft. Nach §2 Abs. 2 darf ein Halter die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, daß ihm Schmerzen oder Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Wann ist aber das Bedürfnis zur artgerechten Bewegung erfüllt. Elefanten laufen in ihrer natürlichen Umgebung viele Kilometer auf der Suche nach Wasser und Nahrung. Diese Bewegungsfreiheit kann eine Haltung in keinster Weise bieten, aber heißt dies dann, daß die in Menschenobhut gehaltenen Elefanten generell leiden. Auch Papageien legen in ihrem Biotop oftmals große Strecken zurück, eine Bewegung, die einem im Käfig gehaltenen Tier unmöglich ist. Aber wird hierdurch Leiden verursacht ? Zur objektiven Bewertung dieses Kriteriums ist es wiederum erforderlich, die menschliche Brille abzunehmen und die Gründe, die zu den ausgedehnten Wanderungen führen, näher zu analysieren. Hierbei stellt man fest, daß die Tiere nicht aus Lust an der Bewegung, sondern schlicht und ergreifend aus der Notwendigkeit genügend Nahrung zu finden heraus, die teilweise recht großen Strecken zurücklegen. Ist nämlich an einem bestimmten Ort sowohl ausreichend Nahrung als auch Wasser vorhanden, werden die Aktionsräume der Tiere recht klein und konzentrieren sich auf den Ort des optimalen Angebots. Erst wenn dieses nicht mehr vorhanden ist, nehmen die Wanderungen wieder zu. In Menschenobhut sind Nahrung und Wasser immer im Überfluß vorhanden, ein Grund für ausgedehnte Wanderung ist also nicht existent. Dies darf aber nicht als Legitimation dafür angesehen werden, daß die Bewegung der Tiere auf ein Minimum beschränkt wird. Neben der Nahrungssuche hat die Bewegung auch Einfluß auf die Gesunderhaltung von Bewegungsapparat bzw. Herz-Kreislaufsystem.

Dieser Punkt darf in der Haltung nicht vernachlässigt werden. Jedes gehaltene Tier muß Möglichkeiten haben sich zu bewegen, ein Papagei muß in der Lage sein, seine Flügel zu gebrauchen, da ansonsten seine Flugmuskulatur verkümmert, eine reine Käfighaltung ist also abzulehnen. Dabei gilt der Grundsatz, zu groß gibt es nicht, wohl aber zu klein. Die Folge zu kleiner Käfige ist aus den Zoos bekannt, es kommt zu Bewegungssteriotopien, bekanntestes Beispiel dürften die Raubtiere sein, die ständig am Gitter auf und ab laufen.

Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Größe eines Papageienkäfigs liefert das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien, welches von Vertretern des Gesetzgebers, der Tierschutzverbände, der Zoodirektoren und dem Bundesverband für fachgerechten Natur und Artenschutz erarbeitet wurde. Die hier angegebenen Gehegegrößen zeigen das Minimum auf, welches einem in Menschenobhut gehaltenen Papagei geboten werden sollten.

Ein ebenfalls im Gutachten angesprochener Punkt, der in der Papageienhaltung eine große Rolle spielt, ist die mindestens paarweise Haltung. Papageien sind gesellige Tiere, die in der Natur in Schwärmen leben, die eine recht komplexe Sozialstruktur aufweisen. Da diese Sozialstrukturen zum Wesen der Tiere gehören, muß eine Haltung, wenn sie tiergerecht sein will, hierauf Rücksicht nehmen. Aus diesem Grund ist eine Einzelhaltung von Papageien und Sittichen generell abzulehnen, ausgenommen Einzeltiere, die sich nicht mehr vergesellschaften lassen. Auch wenn der Halter dem Tier rund um die Uhr zur Verfügung steht, was sicherlich die Ausnahme darstellen dürfte, kann er einen arteigenen Partner nicht ersetzen, da er nicht über die gattungsspezifischen Sozialformen verfügt. Ein Mensch ist nun mal ein Mensch und kein Papagei. Auch die Haltung zweier Papageien, die unterschiedlichen Arten angehören, kann das Problem nicht lösen, da sich im Laufe der Evolution zahlreiche interartliche Differenzierungen im Sozialverhalten ausgebildet haben. Ein Sozialleben, welches dem natürlichen entspricht kann sich deshalb nur zwischen zwei Individuen derselben Art ausbilden. Fehlt dieses Individuum, verkümmern die sozialen Verhaltenformen, es erfolgt der Anschluß an einen Ersatzpartner, z.B. den Menschen. Dies ist jedoch keine Bestätigung der guten Haltung, es ist lediglich der Versuch des Tieres, sich einen Ersatzpartner für sozialen Kontakt zu suchen. Diesen Ersatzcharakter der Tier-Mensch-Beziehung hat bereits Hellmann bei seinen Versuchen mit Wellensittichen herausgestellt. Aus diesem Grund weist auch das Gutachten darauf hin, daß Papageien und Sittiche generell paarweise zu halten sind. In diesem Zusammenhang sei auch auf den genetisch fixierten Fortpflanzungstrieb der Tiere hingewiesen. Dieses Bedürfnis ist, wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, stets latent vorhanden. Wird er nicht befriedigt kommt es zum Triebstau, der sich in Übersprungshandlungen entlädt. Hierin ist eine der Ursachen zu sehen, warum es bei Papageien im geschlechtsreifen Alter zu teilweise gravierenden Verhaltensänderungen kommt.

In diesem Zusammenhang sei nur auf die steigende Aggressivität von Amazonen hingewiesen, auch das Problem des Rupfens liegt hierin sicherlich zu einem nicht geringen Teil begründet. Die Möglichkeit der Fortpflanzung ist deshalb ein weiterer wesentlicher Punkt der zur tiergerechten Haltung hinzugehört, die ausreichende Sachkunde des Halters sowie die Unterbringung des Nachwuchses muß jedoch gewährleistet sein.

Papageien gehören zu den intelligentesten Wesen, dies ist nicht erst seit den Versuchen von Irene Pepperburg mit dem Graupapagei Alex bekannt. Die komplexen Sozialstrukturen und Verhaltensweisen, z.B. der bei einigen Arten bekannte Werkzeuggebrauch, sprechen hier eine deutliche Sprache.

Wie alle intelligenten Tiere besitzen auch Papageien einen ausgedehnten Spieltrieb, der z.B. bei den neuseeländischen Keas, aber auch den Loris oder den Kakadus deutlich zu Tage tritt. Dieser Spieltrieb ist Teil der evolutiven Entwicklung der Papageien, durch ihn verschaffen sie sich neue Erkenntnisse, die ihnen den entscheidenden Vorteil im Kampf um Überleben und Fortpflanzung bringt. Papageien müssen spielen, um zu lernen, da ihnen, wie den meisten intelligenten Lebewesen, nur sehr wenige Verhaltensweisen angeboren sind. In diesem Punkt kann man sie mit einem Kleinkind vergleichen, welches ebenfalls spielen muß, um sich zu entwickeln. Wie bei einem Kleinkind, das nicht spielen kann, weil die Umstände es nicht erlauben und das in Folge dessen verkümmert, grobmotorisch bleibt und mangelnde Sozialisation zeigt, kommt es auch bei Papageien, denen die Möglichkeit fehlt, ihrem Spieltrieb mit arteigenen Partnern nachzugehen, zu einem Triebstau, der sich in deutlichen Verhaltensstörungen wie Rupfen oder Aggressivität entlädt. Zur tiergerechten Haltung gehört es deshalb unbedingt, dem Tier die Möglichkeit zu gewähren, seinen Trieb zu befriedigen und zu spielen. Dies ist um so wichtiger, wenn man bedenkt, daß die Papageien in der Natur viele Stunden auf die Nahrungssuche verwenden, dies in Menschenobhut aber in wesentlich kürzerer Zeit geschieht, so daß ein großes Kontingent übrigbleibt, welches es auszufüllen gilt.

Möglichkeiten den Spieltrieb zu befriedigen gibt es viele, die Industrie bietet mittlerweile eine Vielzahl von Spielzeugen an, die durchaus geeignet sind. Keinesfalls geeignet sind Plastikvögel oder Spiegel, die oftmals als Partnerersatz in den Käfig gegeben werden, da diese einen Partner vorgaukeln, der nicht gegeben ist, was zum Triebstau führt. Auch wenn der Vergleich weit hergeholt ist, eine Gummipuppe kann auch für uns kein dauerhafter Partnerersatz sein.

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf eine in der heutigen Papageienzucht weit verbreitete Aufzuchtmethode eingehen, die Handaufzucht. Isolierte Handaufzucht von Papageien ohne Kontakt zu arteigenen Partner führt zu verhaltensgestörten Tieren, die deutliche Defizite im Sozialverhalten, aber auch im Brutverhalten zeigen. Auch wenn dies vielfach geleugnet wird, so gibt es wissenschaftliche Studien, die dies eindeutig belegen. Handaufzucht darf deshalb nur die Ausnahme sein, nicht die Regel.

Das oft angeführte Argument, daß die Elterntiere ihren Nachwuchs nicht füttern und er ohne Handaufzucht verhungern müßte, sollte uns die Frage aufwerfen, warum die Tiere in Menschenobhut dieses Verhalten zeigen, denn in der Natur ist die Vernachlässigung der Jungtiere durch die Eltern nahezu unbekannt. Statt die Symptome zu bekämpfen, sollte es unser Bestreben sein, die Ursachen für dieses abweichende Verhalten zu erforschen.

Lassen sich mich zum Abschluß das Gesagte noch einmal kurz zusammenfassen. Wenn wir über artgerechte Haltung von Wildtieren sprechen, so müssen wir dabei stets bedenken, daß artgerecht eigentlich tiergerecht heißt, denn eine artgerechte Haltung, die den Lebensraum mit allen darin vorkommenden Lebewesen kopiert, ist nicht möglich. Es ist jedoch sehr wohl möglich, auch wenn viele Tierschützer dem widersprechen mögen, ein Tier entsprechend seinem Wesen zu halten. Hierzu ist es unabdinglich, die vermenschlichende Sichtweise der Tiere einzustellen und sich der tatsächlichen Bedürfnisse der Tiere zu vergegenwärtigen.

Der Ausspruch, daß wer Tiere liebt, keine Tiere hält, ist Ausdruck dieser teilweise sehr naiven und weichgespülten Ansicht, denn auch in der Natur müssen Tiere Schmerzen ertragen und leiden, daß Bild von der heilen Natur ist ein Trugschluß.

So gesehen können es die von uns gehaltenen Tiere sogar besser als ihre Artgenossen haben. Voraussetzung ist allerdings, daß der Halter die Bedürfnisse seiner Tiere kennt und diese erfüllt. Hierzu ist es erforderlich, daß sich jeder, der Tiere halten will, sachkundig macht und diese Sachkunde auch nachweisen kann, bevor er ein Tier erwirbt. Der vom BNA initiierte Sachkundenachweis ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, da er vor Erwerb des Tieres das Wissen des Halter abprüft.

Tiere, speziell Wildtiere, zu denen die Papageien zu zählen sind, können eine wesentliche Bereicherung für unser Leben darstellen, dies hat bereits Konrad Lorenz herausgestellt. Besonders in einer Zeit, in der sich die Menschen immer mehr von der Natur entfremden, in einer Umfrage meinten jüngst 80% der Berliner Kinder, daß Kühe lila seien, spielt die Tierhaltung eine wichtige Rolle, zur Förderung des Naturverständnisses. Tierhaltung darf allerdings nicht als bloße Alibifunktion betrachtet werden, wenn es ausschließlich darum geht, menschliche Eitelkeiten zu befriedigen. Nur wenn das Wesen des Tieres und seine Bedürfnisse im Vordergrund stehen, kann die Haltung von Wildtieren akzeptiert werden.

Wir müssen deshalb unser Bewußtsein schärfen, uns eventuell selber das ein oder andere Mal zurücknehmen, damit wir unser Haltungsbedingungen tiergerecht gestalten. Mit der Pflege eines Tieres, eines Lebewesen, haben wir eine große Verantwortung übernommen, daran sollten wir uns stets erinnern.

> Artgerechte Haltung, Wirklichkeit oder Utopie? - Seite 1

 

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